Unter genauer Beobachtung: Dr. Langenstein (r.) überwacht den Weltrekordversuch – und ist bislang verblüfft.. © Instagram
Roth – Es klingt nach einem Ding der Unmöglichkeit. 120 Ironman in 120 Tagen – Jonas Deichmann aber versucht genau das im Triathlon-Mekka Roth zu schaffen. Jeden Tag 3,8 km schwimmen (circa 1 Stunde), 180 km radeln (etwa 5,5 Stunden) und dann einen Marathon laufen (42,2 km, rund vier Stunden), „das ist eigentlich unfassbar“, sagt Dr. Bernd Langenstein. Der Arzt des 37-Jährigen spricht mit unserer Zeitung über das Projekt.
Herr Langenstein, was sind Ihre Eindrücke bislang vom Weltrekord-Versuch? Sie erleben Jonas Deichmann ja hautnah.
Ich bin jede Woche mindestens einmal vor Ort. Jedes Projekt, das war allen Beteiligten klar, muss sich erst mal einrollen. Das hat aber relativ schnell geklappt. Bei Jonas hat sich schnell eine Adaption an die Belastung entwickelt. Nur das Wetter hat nicht ganz mitgespielt. Viel Wind, starker Regen, kalte Temperaturen, damit hätte man im Sommer nicht gerechnet. Jonas hat diese Zeit mit einer stoischen Geduld und seinem unverwechselbaren Optimismus gut gemeistert. Letzte Woche hatte er einen Erkältungsinfekt, den er aber gut überstanden hat. Die Resonanz an der Strecke und bei den Sportlern, die ihn begleiten, ist riesig, das gibt Jonas einen wesentlichen Push.
Wie kuriert man einen Infekt denn aus, während man täglich einen Triathlon absolviert?
Einen Tag im Bett bleiben geht ja nicht … Das ist vollkommen richtig, man kann nur sehr begrenzt darauf reagieren. Jonas hat in der Phase bewusst die Intensität auf das notwendige Minimum runterfahren und sich dadurch auch während der aktiven Phase etwas „erholt“. Das ist aber der schwierige Spagat zwischen „Ich erhole mich“ und „dadurch werde ich langsamer und habe weniger Zeit zum Regenerieren“. Jonas hat – auch durch die vorangegangen Projekte – ein extrem gutes Gefühl für seinen Körper und weiß, wie er reagieren muss.
Am ersten Tag musste sich Jonas Deichmann nach dem Ziel übergeben, hat zwei Kilo verloren. Ist das Gewicht seitdem stabil?
Die Summe aus der Gesamtbelastung aus Sport, Medien, Erwartung und Emotionen war natürlich riesig am ersten Tag. Da kann man auch als Jonas Deichmann mal in ein kleines Loch fallen, da gab es einfach einiges zu verdauen. Gestern hat mir Jonas erzählt, dass er sogar wieder zugenommen hat. Er hatte sich vom Gewicht an der unteren Grenze eingependelt, weiteres Abnehmen wäre kontraproduktiv gewesen und hätte einfach die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Seine Ernährungsstrategie ist sehr ausgefeilt, und die zieht er mit einer bewundernswerten Konsequenz durch. Jeder, der sich beim Sport mal Gels zugeführt hat, weiß, was es für eine Herausforderung sein muss, das Tagein, Tagaus zu machen…
Wie reagiert der Körper bislang sonst auf die Dauerbelastung?
Die mechanische Belastung ist beim Laufen am höchsten, ganz am Anfang hatte er mal Knieprobleme, die waren aber relativ schnell wieder weg. Durch die Belastung schwillt der Körper etwas an, dadurch sind die Füße größer geworden und die Schuhe haben nicht mehr optimal gepasst. Zuletzt hatte Jonas Beschwerden an der Achillessehne, aber auch das hat sein Physiotherapeut sehr gut in den Griff bekommen. Es gibt immer mal wieder kurze Phasen, in denen eine Stelle am Körper zwickt, aber bislang nichts Schwerwiegendes, das dauerhaft behandelt werden muss.
Und was sagen die Daten?
Beim EKG und Herzultraschall haben wir keine Veränderung gemerkt. Der Puls von Jonas ist im Ruhemodus auf konstant niedrigem Niveau, geht auch trotz der Belastung nicht zu hoch. Die Ruheherzfrequenz schwankt immer mal ein bisschen, ist aber insgesamt niedrig. Eine Stunde weniger Schlaf oder ein halber Liter Wasser weniger können darauf schon Einfluss nehmen. Sollte die Frequenz einmal über mehrere Tage steigen, muss man dem natürlich nachgehen. Die aktuellen Schwankungen sind aber – bei solch einem Projekt – nachzuvollziehen.
Sie betreiben in Ihrer Freizeit auch Ausdauersport, können die Leistung Deichmanns also als Arzt und Sportler betrachten.
Das ist ein Niveau, das eigentlich für alle anderen undenkbar ist. Ein Unikat. 15 bis 20 Langdistanzen sind auch bei ambitionierten Triathleten oft schon die Lebensleistung. Die ständigen Wiederholungen, die kurzen Regenerationszeiten, die konsequente Ernährung, es ist eigentlich unfassbar, erst recht, wenn man es aus der Nähe beobachtet. Das ist eine Maximalherausforderung. Mehr Belastung geht nicht.
Und, nach Ihren Eindrücken vor Ort, schafft Deichmann den Weltrekord?
Zum Start des Projekts haben wir die Frage ja auch schon diskutiert. Kann man das schaffen? Da habe ich gesagt: Wenn, dann er. So würde ich auch nach Tag 40 noch drauf antworten (lacht).
INTERVIEW: NICO-MARIUS SCHMITZ