Für den deutschen Fußball hat sich in den vergangenen Jahren ein Satz wie „Das Turnier fängt erst mit der K.o.-Runde an“ verbeten. Denn es war bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ja schon nach drei Spielen Schluss, und die EM 2021 mit einem verlorenen Achtelfinale hob sich nicht wesentlich ab. Dennoch: Ab jetzt gilt er wieder, dieser weise Satz. Und was gegen Schottland war, ist mit dem wesentlich mühsameren Match gegen die Schweiz bereits verblasst – trotz des schönen Moments zum Schluss, als die Spieler das 1:1 in einer Jubeltraube feierten, die das Gefühl einer großen Gemeinschaft vermittelte. „Das müssen wir uns bewahren“, sagt Trainer Julian Nagelsmann.
Mit dem Konzept der klaren Rollenzuweisung ist der junge Bundestrainer bisher gut durch seine erste große Bewährungsprobe gekommen. Allerdings sollte man auch mal anmerken, dass es keineswegs eine historische Einmaligkeit ist, die er geschaffen hat. Denn das war früher ja auch so, dass die Chefs es den Akteuren vermittelt hatten, was sie in ihnen sehen. Weder wird Paul Steiner 1990 mit der Vorstellung, Libero der WM-Mannschaft zu werden, nach Italien gefahren sein noch Kevin Großkreutz 2014 nach Brasilien mit der Vision, sieben Mal neunzig Minuten auf dem Platz zu stehen. Der DFB hatte viele erfolgreiche Mannschaften, die Gemeinsinn gelebt haben, ohne dass das derart heroisiert wurde.
Spätestens mit dem 1:1 gegen die Schweiz verändern sich die personellen Balancen im Team 2024. In der Abwehr wird es aufgrund der Gelb-Sperre für Jonathan Tah zu einer erstmaligen Umbesetzung kommen, und vielleicht wird das Profil des jetzt noch nicht feststehenden Achtelfinalkontrahenten eines sein, das eher Niclas Füllkrug in der Spitze erfordert. Vier Wochen sind die Spieler nun zusammen, das kann ein Kipppunkt sein, an dem die, die schon einmal positiven Einfluss genommen haben auf das Geschehen, den Lohn erwarten.
Und neben dem Aspekt des Teambuildings kommt immer mehr der der Klasse ins Spiel. Es wäre naiv, sich da in der Beletage des europäischen Fußballs zu verorten. Klasse entwickelt sich über Jahre – und da wurde in anderen Ländern besser gearbeitet. Die Dynamik eines Turniers kann Hierarchien auf den Kopf stellen, das bleibt die deutsche Hoffnung. Und vielleicht gibt‘s im Achtelfinale noch einmal einen Gegner zum Playoff-Warmspielen. Guenter.Klein@ovb.net