Teuerster Abwehr-Mann: TV-Experte Mustafi. © IMAGO
„Können mit Druck umgehen“: Schlotterbeck (M., mit Can) wird im Achtelfinale wohl mit Anton (r.) verteidigen. © IMAGO
München – Aktuell ist Shkodran Mustafi Experte bei Magenta TV (heute im Einsatz bei Belgien gegen die Ukraine), seit gestern ist bekannt, dass der Weltmeister von 2014 ab 1. Juli als Co-Trainer der U17 beim DFB einsteigt. „Neue Schritte in neuer Funktion im selben Sport – der optimale Weg für mich“, sagt der 32-Jährige gegenüber unserer Zeitung – bevor es um die DFB-Abwehr geht. Als nach wie vor teuerster deutscher Abwehrspieler (41 Mio. Euro) ist Mustafi da freilich Fachmann.
Herr Mustafi, als TV-Experte schwärmen Sie viel vom DFB-Team. Ist es also ein Jammer, dass Julian Nagelsmann fürs Achtelfinale umstellen muss?
Wir haben bisher ja das gezeigt, was sich viele gewünscht haben: eine Identität, einen klaren Plan. Natürlich wäre es gut, die Mannschaft weiter so zusammenzuhalten. Die mittlere Achse ist immer die wichtigste in der Mannschaft.
Aber?
Aber man startet ja nicht ohne Grund mit 26 Spielern und fünf Innenverteidigern in ein Turnier. Julian Nagelsmann hat daher ja auch bewusst eine Sperre von Jonathan Tah in Kauf genommen. Damit hat er signalisiert, dass er Vertrauen in die ganze Mannschaft hat. Du wirst im Laufe des Turniers alle Spieler brauchen. Und diejenigen, die Tah und Antonio Rüdiger ersetzen müssen, werden topmotiviert sein, sind frisch und spielen alle eine tragende Rolle in ihrem Verein. Sie wissen mit Druck umzugehen – und sind alt genug, ihn in Spielfreude und Motivation umzuwandeln.
Wir sprechen von Nico Schlotterbeck und Waldemar Anton, oder?
(lacht) Das weiß nur der Bundestrainer. Schlotterbeck hat ja schon ein paar Minuten gegen die Schweiz bekommen, und meiner Meinung nach wäre Anton die passende Figur neben ihm. Aber auch Emre Can oder Robin Koch würden es gut machen.
Kann eine Woche reichen, um sich als Duo zu finden?
Ein gut funktionierendes Innenverteidiger-Duo gibt einem Team das gewisse Extra. Da spreche ich aus eigener Erfahrung. In Valencia habe ich mit Nicolás Otamendi die komplette Saison zusammengespielt – als er im Jahr danach zu ManCity gewechselt ist, hatte ich gefühlt in jedem Spiel einen anderen Innenverteidiger neben mir. Gerade im DFB-Team und bei der Art und Weise, wie wir Fußball spielen, muss nach einem Ballverlust die Kommunikation und die Abstimmung passen. Sonst ergeben sich viele Räume für den Gegner, die am Ende wehtun können.
Steht also das ganze Team in der Pflicht?
Ja. Tah und Rüdiger haben in der Gruppenphase viel wegverteidigt, sie waren enorm wichtig. Aber man hat zum Beispiel in Toni Kroos jemanden auf dem Platz, der genug Erfahrung hat, die Ersatzleute in den Rhythmus zu bringen. Dazu Joshua Kimmich, der führen kann und will. Manuel Neuer hinter dem neuen Duo. Eine bessere Hilfe gibt es kaum. Ich glaube, dass die Situation jetzt entscheidend sein kann, etwas in der Mannschaft auszulösen.
Inwiefern?
Wenn du jetzt im Achtelfinale mit einem neuen Duo souverän spielst, zeigst du, dass du nicht anfällig bist, nur weil ein, zwei Stammkräfte fehlen. Man kann zeigen, dass man die Breite hat, jeden Spieler zu ersetzen. Das zeugt noch mal von einer anderen Stärke!
Sie haben in Turnieren beide Extreme erlebt. 2014 sind Sie für den verletzten Mats Hummels reingekommen. Wie gelingt so ein Kaltstart?
Man hat keine Zeit, aufgeregt oder nervös zu sein, es geht Schlag auf Schlag. Das hat mir geholfen, alles auszublenden und mich auf das zu fokussieren, was wichtig ist. Mein erstes offizielles Länderspiel bei einer WM gegen Cristiano Ronaldo: Wenn ich das alles vor dem Spiel gewusst hätte… puh (lacht)!
Andersrum erging es Ihnen im Achtelfinale – verletzt raus. Lebt man jeden Zweikampf von außen mit?
Und wie! Und ehrlich gesagt geht es mir auch heute noch vor dem TV so. Wir hatten im Studio schon die eine oder andere hitzige Diskussion. In mir drin ist noch der Nationalspieler.
… der damals bis zum WM-Titel zusehen musste.
Das war schon sehr bitter. Aber ich hatte auch da keine Zeit, enttäuscht zu sein. Für mich war klar, dass ich bei der Mannschaft bleiben will. Die Rolle musste ich dann aber auch erst finden. Das hat ein wenig gedauert, aber es gab ja das Happy End (lacht).
Sie sagen es: Ist 2014 ist das beste Beispiel, dass es trotz Abwehr-Rotation gelingen kann?
Der Fußball ist verrückt! Egal, wie viel man analysiert und perfekt man ihn machen möchte: Es sind trotzdem Menschen auf dem Platz, die Fehler machen. Was aber klar ist: Man braucht einen Plan, eine funktionierende Mannschaft – das haben wir beides. Und ich finde, wir sind bereit, diesen Weg zu Ende zu gehen. Wir Zuschauer können die Spiele entspannt anschauen.
Plural?
Ganz bewusst: Plural (lacht). Und erwarten noch ein paar schöne Wochen.
INTERVIEW: HANNA RAIF