Abgedrängt von den defensivstarken Florida Panthers: Leon Draisaitl konnte Edmonton erneut nicht zum Stanley-Cup-Triumph führen. © IMAGO
Sunrise/München – Wie tief die Enttäuschung bei den Edmonton Oilers saß, zeigte sich am Beispiel von Connor McDavid. Er wollte nicht mehr aus der Kabine kommen, noch nicht einmal für diesen ehrenvollen Moment. Die National Hockey League hatte entschieden, dass er der wertvollste Spieler der Finalserie gewesen sei, der MVP. Gary Bettman, der Boss der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga, stand neben der Conn-Smythe-Trophy, die er dem kanadischen Superstar gerne auf dem Eis in Sunrise, Florida übergeben hätte. Doch McDavid kam nicht, erst später ließ er sich den Pokal bringen, bedankte sich pflichtschuldig, beteuerte, was für eine Ehre die Auszeichnung sei. Doch was zählt der individuelle Preis in einem Teamsport, wenn gerade ein Lebenstraum geplatzt ist?
Die Edmonton Oilers und Connor McDavid und seinen kongenialen deutschen Offensivpartner Leon Draisaitl hatten nach einem 0:3-Rückstand im Best-of-Seven-Finale den Ausgleich erkämpft und ein siebtes Spiel erzwungen. Dass eine Serie maximal ausgereizt wird, hatte es in der Geschichte der NHL erst 17 Mal gegeben. Und dass eine Serie von 0:3 in ein 4:3 gedreht wird, das geschah erst einmal, 1942. Es war alles möglich im Finalspiel sieben des Jahres 2024, für Edmonton war es die 107. Saisonpartie. Die Oilers gerieten gegen die Florida Panthers früh in Rückstand (Carter Verhaeghe, 5. Minute), schossen aber schnell das 1:1 (Mattias Janmark, 7.). Bitter war aus Oilers-Sicht das Zustandekommen des Treffers zum 1:2 und zur Niederlage. Sekunden nachdem Leon Draisaitl eine sehr große Chance für sein Team vorbereitet hatte, klingelte es im eigenen Tor: Sam Reinhart feuerte beim Konter von Florida aus dem Handgelenk (36.) – einfach, aber wirkungsvoll.
An diesem Rückstand arbeiteten sich die Oilers ab. McDavid und Zach Hyman scheiterten sieben Minuten vor Schluss am fantastischen russischen Panthers-Tormann Sergej Bobrovsky. In den finalen zwei Minuten gingen McDavid und Draisaitl nicht mehr vom Eis, die letzten Sekunden verstrichen in einem Gewühl an der Bande. Als es vorbei war und in der Arena von Sunrise die Jubel ausbrach, ließ Draisaitl traurig den Zahnschutz aus dem vom Playoff-Bart umwucherten Mund hängen. „Viel schlechter ging es mir noch nicht“, sagte der 28-jährige Kölner – und er bezog das auf seinen seelischen Zustand.
Doch er war auch körperlich angeschlagen. Sein Punktelauf aus den ersten Playoff-Runden versandete im Finale, in sieben Spielen blieb er torlos. „Er hat einige Verletzungen, es gibt Widrigkeiten“, sagte sein Vater Peter, der in Sunrise beim siebten Finale war. Die Spekulationen gingen vom gebrochenen Finger bis zur gebrochenen Hand, es fiel auf, dass Draisaitl nicht wie sonst Druck hinter seine Schüsse brachte. „Er macht aber ein gutes Spiel, nimmt auch die wichtigen Bullys, von einer Verletzung merkt man nichts“, sagte hingegen der ehemalige Münchner NHL-Spieler Christoph Schubert als Experte bei ProSieben Maxx.
Leon Draisaitl hat die Kultur des nordamerikanischen Profisports, dass nur das Gewinnen zählt, verinnerlicht. Bei ihm kommt dazu: Er spielt in Kanada. Edmonton, die Eishockeystadt schlechthin, ist seit 1990 titellos, und noch immer wird der Club umgeben von den Granden der 80er-Jahre. Seit 1994 wird die NHL von den US-Teams beherrscht, die neuen Märkte sind Nevada (Las Vegas gewann 2023 den Stanley Cup) und Florida mit den Tampa Bay Lightning und den nun siegreichen Panthers. Retorte schlägt Tradition.
Leon Draisaitls Vertrag in Edmonton endet 2025, der von McDavid 2026. Denkbar, dass sich die Wege der Freunde trennen werden. Das Konzept der bedingungslosen Offensive verfängt nicht. GÜNTER KLEIN