Ein Del-Piero-Moment rettet Italien

von Redaktion

Titelverteidiger zittert sich weiter und wehrt sich gegen Kritik – Kroatiens Modric trauert und macht weiter

Explosion der Gefühle: Titelverteidiger Italien will das Turnier nun prägen wie 2006. © Michael/dpa

… im besten Stil von Alessandro del Piero, der 2006 auf ähnliche Weise gegen DFB-Keeper Jens Lehmann traf. © Imago

Ein Häufchen Elend: Kroatiens Altstar Luka Modric war am Boden zerstört.

Hinein ins italienische Glück und ab ins EM-Achtelfinale: Mattia Zaccagni zaubert am Dienstag den Ball in der 98. Minute ins kroatische Tor… © IMAGO/Matthias Koch

Leipzig – Für dieses kleine Stück Fußballkunst, diesen Schlenzer ins rechte Toreck hat in Italien schon lange einen Namen. Es ist ein Schuss, ein Tor nach Art von Del Piero. Italiens legendärer Mittelfeldspieler hat viele Treffer nach dieser Art erzielt. Der berühmteste schmerzt die deutschen Fußballfans noch heute. 2006 riss del Piero mit dem 2:0 in der 121. Minute des WM-Halbfinals eine ganze Nation aus ihren Träumen.

Und nun haben sie also wieder so einen delpieroesken Moment. Mattia Zaccagni zauberte den in der achten Minute der Nachspielzeit gegen Kroatien so ins Tor wie es einst der Mann, der auch noch sein großes Vorbild ist. Auch der 29-jährige von Lazio Rom sicherte der Squadra Azzurra mit seinem Treffer zum 1:1-Endstand ein Ticket nach Berlin, auch wenn es erst einmal nur das Achtelfinale ist.

Wieder einmal hatte der stolze Titelverteidiger bedenklich gewankt, ehe Zaccagni für sein erstes Länderspieltor den perfekten Moment erwischte: und damit auch dem kroatischen Altstar Luka Modric buchstäblich vom Himmel in die Hölle schickte. Kroatiens Nationalheld kauerte noch lange nach Zaccagnis K.o.-Schlag auf dem Rasen. Später marschierte er mit Tränen in den Augen in die Kurve, um sich bei den Fans zu bedanken. Wie ein Häufchen Elend präsentierte er die Trophäe für den „Spieler des Spiels“. „Der Fußball war heute grausam“, gehörte zu den wenigen Sätzen, die man von ihm hörte. Bis er schließlich verkündete – nein, aufhören werde er nicht. Noch nicht.

Italiens Trainer Luciano Spalletti hatte dafür natürlich nicht viel Blick. Der viel kritisierte Coach jubelte nach dem sehenswerten Ausgleich mit dem Ex-Weltmeister und jetzigen Teammanager Gianluigi Buffon entfesselt wie selten. Die Last war riesig, das wurde sichtbar.

Das Aus wurde in einer Explosion der Gefühle abgewendet. Entsprechend entschlossen setzte er zur Abrechnung an: „Wir waren in der Todesgruppe. Wir standen sehr unter Druck. Aber ich hatte keine Angst“, sagte er und ging nach dem erneut blassen Auftritt dann äußerst gereizt auf die Medien los. Diese hatten ein „bescheidenes“ Italien gesehen, den Last-Minute-Ausgleich bezeichneten sie als „Wunder“, an das „nur noch die unerschütterlichsten Optimisten glaubten“.

Doch schon die Kritik vor dem wegweisenden Vorrundenfinale in Leipzig hatte Spalletti massiv geärgert, und so redete er sich nun in einem minutenlangen Monolog in Rage. Den harten Umgang mit den Italienern, die gegen Spanien beim 0:1 chancenlos gewesen waren und sich gegen Kroatien häufig bei ihrer Lebensversicherung Gianluigi Donnarumma bedanken konnten, könne er „nicht akzeptieren“, schimpfte Spalletti.

Doch damit nicht genug. Auf die Frage, was bei einem Ausscheiden passiert wäre, antwortete Spalletti aufgebracht: „Was ist das für eine Frage?“ Man ist weiter und das völlig zurecht, wie er betonte: Die Qualifikation für die K.o.-Runde sei „hochverdient“. Zu guter Letzt nahm er auch nochj einen „Maulwurf“ aufs Korn, der Interna an die Öffentlichkeit gebe und so „der Nationalmannschaft schadet“.

Doch auch Spalletti dürfte bewusst sein, dass sich die Squadra Azzurra die ganze Aufregung durch ihre schwachen Vorstellungen selbst eingebrockt hat – und sich für die immerhin weiter mögliche Mission Titelverteidigung massiv steigern muss. Im Achtelfinale bekommen es die Italiener mit der starken Schweiz zu tun. Eine Aussicht, die die Heimat mulmig stimmt. „Die Azzurri müssen noch viel wachsen“, schrieb La Repubblica – und sie sollten schon am Samstag (18.00 Uhr) damit anfangen.

Der Spielort Berlin soll dabei helfen: Dort feierten die italienischen Helden um Gianluigi Buffon, Fabio Cannavaro und Andrea Pirlo vor 18 Jahren ihren WM-Triumph. Vom Niveau beim damaligen Titelgewinn sind die Italiener derzeit weit entfernt, doch das Olympiastadion soll beim angeschlagenen Team von Spalletti neue Kräfte freisetzen. Oder wie der Ciorriere della Sera schrieb: „Auf nach Berlin mit Herzklopfen!“.

Weitere Del-Piero-Momente nähme man dort natürlich gerne mit.
SID/DPA

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