Einst Comedian, jetzt Sänger: Rob Kemps.
„Bin froh, auf der Bühne zu stehen“: Kemps (li. auf dem Bus) tritt vor tausenden Fans auf. © IMAGO
Verwandeln jede EM-Stadt in eine Partymeile: Die niederländischen Fans begeistern mit ihrer ausgelassenen Stimmung. © IMAGO
Nummer eins in den Charts, 50 Millionen Streams bei Spotify, hunderte Millionen Aufrufe der Party-Videos in den sozialen Medien. „Links rechts“, dazu tanzen die niederländischen Fans ausgelassen durch die EM-Städte. Das Lied der Band Snollebollekes ist DER Hit der Europameisterschaft. Grund genug, bei der Person anzurufen, die die Masse anheizt. Sänger Rob Kemps spricht mit unserer Zeitung über die Erfolgsgeschichte von „Links rechts“ und seine Eindrücke von der Europameisterschaft.
Goedemorgen, Rob Kemps! Ich bin überrascht, Sie klingen nach all der Party gar nicht heiser?
Ich bin schon eine Weile im Geschäft, da ist man ziemlich trainiert (lacht). Aber es ist einfach verrückt, was gerade in Deutschland abgeht. Ich habe eben noch Videos gesehen, das war nach dem Spiel zwischen Albanien und Spanien: In jeder Kneipe wurde das Lied gespielt, und die spanischen Fans sind richtig abgegangen.
Was ist die Geschichte hinter dem Lied, seit wann ist der Erfolg da?
Das Lied ist jetzt neun Jahre alt. 2017 sind die niederländischen Fußball-Frauen Europameister geworden und haben zu dem Lied getanzt, das lief in den Nachrichten. Danach ist alles riesig geworden. Wann immer niederländische Fans eine Party starten, egal ob bei der Formel 1 mit Max Verstappen oder bei der Tour de France, es läuft Links rechts! Mein erster Song heißt Vrouwkes (Frauen). Die erste Zeile heißt: Ich sehe sie links, ich sehe sie rechts. Und die Leute haben direkt angefangen, ihre Arme in die Richtung zu schwenken. Da wussten wir: Wir müssen die Menschen zur Interaktion animieren! Es war also ziemlich einfach. Zehn Minuten ist vielleicht ein bisschen kurz, aber in einer halben Stunde war das Lied fertig. Es gibt also keine große Geschichte hinter dem Lied, es gibt nur ein Motto: Spaß haben! (lacht) Egal, ob du aus Frankreich oder China bist, jeder versteht dieses Lied. Du musst von links nach rechts springen, das ist es. Egal, ob du Johann Sebastian Bach, Helene Fischer oder die Beatles magst, diese Partymusik ist für jeden!
Die Streams steigen rasant, alleine bei Spotify sind es knapp 50 Millionen Aufrufe. Hätten Sie damit gerechnet?
In Holland ist es schon länger ein großes Ding. Wir haben unser eigenes Festival, wir spielen im Stadion von Vitesse Arnheim vor 30 000 Fans, zwölfmal in Folge war es ausverkauft. Und die EM lässt jetzt noch mal alles explodieren. Jeder in Europa sucht im Internet nach diesem Lied. Ich kann die Klicks auf die Videos schon gar nicht mehr zählen (lacht). Bei Instagram haben manche Videos über 100 Millionen Aufrufe. Ich werde jetzt aber nicht arrogant und sehe mich als europäischer Star. Aber es ist witzig, mal für ein paar Tage zu erleben, wie sich das so anfühlt. Gestern waren wir die Nummer eins in den Charts, das ist schon verrückt.
Und bald soll es auch eine deutsche Version geben?
Ich bin schon auf Mallorca aufgetreten, da sollen ja ab und an auch ein paar deutsche Fans feiern (lacht). Da wurde ich schon oft gefragt, wann es eine deutsche Version gibt. Jetzt stehen wir so im Fokus, wir werden die deutsche Version so schnell wie möglich aufnehmen.
Was ist das für ein Gefühl, in Hamburg oder Leipzig vor tausenden von Menschen zu stehen, die alle zu Ihrem Lied tanzen?
Wenn du etwas immer wieder machst, wird vieles normal. Beispielsweise, wenn du einen Piloten fragst, wie sich das Fliegen anfühlt. Und er sagt einfach nur: Es ist halt mein Job. Aber an dieses Gefühl werde ich mich nie gewöhnen. Jedes Mal ist es besonders. Ich stehe erhöht, schaue auf die Fans und denke mir jedes Mal: Das ist der Wahnsinn! Ich bin auch ziemlich glücklich, dass ich auf der Bühne stehe und nicht in dieser Menschenmasse bin (lacht).
Die niederländischen Fans begeistern mit ihrer ansteckenden guten Laune.
Wir lieben es, eine Party zu haben. Und wir schämen uns nicht dafür, es auch zu zeigen. Wir sind einfach wir selbst. Ich bin sehr stolz darauf, wie sich unsere Fans in Deutschland verhalten. Kein Stress, einfach Party!
Wie haben Sie abgesehen von der Oranje-Party die Stimmung in Deutschland wahrgenommen?
Deutschland ist so eine großartige Fußballnation. Die Nationalmannschaft hat große Erfolge gefeiert und Mannschaften wie Bayern strahlen auf der ganzen Welt. Ich konnte diese Fußball-Begeisterung in Deutschland fühlen. Deutschland atmet Fußball. Die Stimmung war einfach großartig, die Stadien sind beeindruckend.
Sind Sie in der K.o-Phase auch weiter dabei?
Auf jeden Fall. Ich würde es lieben, so schnell wie möglich zurückzukommen. In Holland muss ich leider auch noch ein bisschen arbeiten (lacht). Aber, wenn es ins Viertelfinale geht, oder spätestens ab dem Halbfinale, bin ich wieder da.
Und, wer wird Europameister?
Ich gehe mit Deutschland oder Frankreich. Ich hoffe natürlich auf Holland. Aber wir sind nur einmal Europameister geworden – und das war 1988. Wir hatten vor zehn Jahren die goldene Generation: Arjen Robben, Wesley Sneijder, Ruud van Nistelrooy, Edwin van der Saar … Es ist eine Schande, dass wir mit so viel individueller Power so wenige Titel gewonnen haben. Aber egal, wir feiern trotzdem (lacht).
INTERVIEW: NICO-M. SCHMITZ