ZUM TAGE

Viel Rechnerei – viel Leidenschaft

von Redaktion

Der EM-Gruppenmodus

Die Augen werden langsam kleiner vom vielen Lange-wach-Bleiben. Aber es hilft ja nichts! EM ist EM – und wer am Montagabend bis zum Ende durchgehalten hat, war gegen 23 Uhr sowieso wieder hellwach. Was für ein Gruppenfinale haben sich Italien und Kroatien da bitte geliefert, was für ein Drama in drei Akten. Vergebener Elfmeter, tragischer Held Luka Modric, Last-Minute-K.o.: Am Ende waren die Italiener im Glück, die Kroaten am Boden – und die Kritiker des EM-Gruppenmodus mit neuem Material gefüttert. Das erste Herzschlagfinale dieser EURO haben sich tatsächlich zwei große Fußballnationen geliefert. War also alles bis jetzt nur lästiges Vorgeplänkel?

Man kann die Sache so überspitzen, wenn man die 24-Team-EM, die es seit 2016 gibt, kritisch sehen will. Und in der Tat nervt es auch, wenn man am Ende von jedem der sechs Gruppen-Finals erst mal so lange rechnen muss, dass man die emotionalen Bilder schon verpasst hat. Muss ja erst mal einer drauf kommen, dass das Ergebnis der Gruppe B unmittelbaren Einfluss auf Frankreich, England und die Niederlande hatte, die – nach Anwendung von Kreuzrechnung, Integralgleichung und Hokuspokus Fidibus – schon vor ihrem letzten Gruppenauftritt mindestens unter den vier besten Gruppendritten stehen werden. Kroatien hingegen konnte das Teamquartier nicht unmittelbar nach dem Schock räumen. Ganz schön viel „was wäre wenn?“.

Es fällt manchmal schwer, den Überblick zu wahren. Und trotzdem gibt es auch die andere Perspektive der Mammut-EM. Zwar hat es bis dato noch keinen echten David gegeben, der einen Goliath gestürzt hat. Aber nach knapp zwei Turnierwochen lässt sich doch festhalten, dass Teams wie Schottland, Georgien und Slowenien der EURO nicht geschadet, sondern gutgetan haben. Da geht es um Leistungen auf dem Rasen – niemand hat so viel pariert wie der Georgier Giorgi Mamardaschwili. Aber da geht es auch um die Leistungen daneben. Die Schotten sind ein Kapitel für sich, aber auch die anderen „Kleinen“ haben mit einer Leidenschaft Euphorie verbreitet, die man halt vor allem an den Tag legt, wenn man jeden EM-Auftritt genießt, als wäre es bald vorbei. Schöner Sportsgedanke in der kommerzialisierten Fußball-Welt!Hanna.Raif@ovb.net

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