Alle Trainer aufgereiht: Nagelsmann, Wagner, Glück, Buttgereit, Kronenberg (v.l.). © Imago
Herzogenaurach – Julian Nagelsmann und Benjamin Glück sitzen im Bus der Nationalmannschaft nebeneinander. Einer könnte den anderen einfach ansprechen. Dennoch kam es am Tag vor dem ersten EM-Spiel zur kuriosen Konstellation, dass der Bundestrainer seinem Assistenten eine WhatsApp-Nachricht schrieb. „Ich wollte meine Playlist nicht unterbrechen“, erklärte Nagelsmann, der mit seinen 36 Jahren zur Generation Knopf im Ohr gehört. Was er Glück, 38, mitzuteilen hatte: „Du kommst aus einem 1200-Seelen-Dorf, ich aus einem mit 700 – und jetzt fahren wir gemeinsam zur Eröffnung einer Europameisterschaft.“ Zwei Jungs vom Land in der großen weiten Welt, was für eine Geschichte.
Julian Nagelsmann erzählt oft von seinem Trainerteam, ist in der Öffentlichkeit aber dessen einziger Sprecher. Das war bei den Vorgängern anders: Jürgen Klinsmann (2004 bis 06) schob Joachim Löw nach vorne, Löw (2006 bis 21) drängte den zunächst scheuen Hansi Flick aufs Podium der turnusgemäßen Pressekonferenz, später auch Thomas Schneider und Marcus Sorg. Auch Torwarttrainer Andy Köpke (2004 bis 21) hatte gelegentliche Auftritte. Flick (2021 bis 23) schließlich ließ seine Neuen, den für die Torhüter zuständigen Andreas Kronenberg und Standardtrainer Mads Buttgereit sich wenigstens einmal vorstellen. Nagelsmann erledigt die Kommunikation alleine, holt sich dazu auch das Feedback seiner Beratungsagentur ein, die wiederum bei den Medien nachfragt, wie der Trainer ankommt.
„Wir haben zwei erste Co-Trainer“, stellt Sportdirektor Rudi Völler und Sandro Wagner gleich. Beide sind Vertraute von Nagelsmann. „Benji“ Glück, geboren in Erding, aufgewachsen im Bobsport-Ort Ohlstadt, lernte Nagelsmann in Hoffenheim kennen, wo er Videoanalyst war, folgte ihm nach Leipzig und zu den Bayern. Wagner war Stürmer in Hoffenheim, als Julian Nagelsmann 2016 mit 28 ins Bundesliga-Trainerbusiness einstieg – und für ihn begann der beste Teil seiner Karriere, in der er sogar zum Nationalspieler wurde. „2017“, blickt Außenverteidiger Benjamin Henrichs zurück, „haben Sandro und ich zusammen den Confed Cup gewonnen – jetzt ist er hier mein Co-Trainer.“ 2018 war Wagner aus Ärger über die Nichtberücksichtigung für den erweiterten WM-Kader durch Löw aus der Nationalelf zurückgetreten – leicht anmaßend nach acht Länderspielen.
Darüber ist Wagner hinweg. Bereits zum zweiten Mal seit Ende seiner Spielerlaufbahn ist er jetzt beim DFB. Am Tag nach der Trennung von Hansi Flick im vergangenen September lief er breitbeinig bei der Nationalmannschaft ein, beim ersten Training, offiziell unter Leitung von Rudi Völler, gab er die Kommandos. Auch heute ist er der Lauteste auf dem Platz: „Trinken!“ Er interveniert, wenn Spieler in Streit geraten.
Doch bis eben gab es kein Interview mit DFB-Co-Trainer Sandro Wagner – trotz seiner Medienaffinität durch die Arbeit bei DAZN und als Co-Kommentator des ZDF noch bei der WM in Katar. Den alten Kollegen vom Zweiten gewährte er nun für ein paar Minuten Einblick: Julian sei „ein Supertrainer“, die klare Rollenverteilung unter den Spielern „elementar in jedem Unternehmen“, er selbst verbinde im Umgang mit ihnen „Empathie und Klarheit. Sie schließen sich nicht aus“. Sensationell ist für ihn, „welches Zugehörigkeitsgefühl Kinder und Teenager zu Deutschland-Trikot und Fahne entwickeln“.
Sandro Wagner ist derjenige, der Spieler auf ihre Einwechslung vorbereitet. Zudem haben Glück und er die Aufgabe, ihren Chef Nagelsmann auf besondere Anlässe hinzuweisen: Hat ein Spieler Geburtstag, besteht eine besondere Beziehung zu einem Gegner, zu einem Stadion? Nagelsmann will auch bei den weichen Faktoren gut sein.
„Jeder der beiden ersten Co-Trainer ist auf seine Art wichtig“, erklärt Rudi Völler, „und auch ,Krone‘ macht das wunderbar.“ Krone ist Torwarttrainer Andreas Kronenberg (49), der mit seinen vier Keepern (der Nürnberger Jan Reichert ist als Sparringspartner dabei) eine Gruppe im Team bildet. Meist zwei Tage vor einem Spiel rückt Mads Buttgereit (39) in den Vordergrund. Der Deutsch-Däne unterweist die Mannschaft in den Bereichen Freistoß, Eckball, Einwurf, Anstoß, vor drei Jahren diente er bei der EM noch dem nunmehrigen Achtelfinalgegner Dänemark, empfahl sich so für den DFB. Rudi Völler spricht für ihn: „Mads hat dänische Wurzeln, doch er wird verhindern, dass die Dänen uns ein Tor einschenken und etwas erfinden, mit dem wir erfolgreich sind.“ GÜNTER KLEIN