„Wir haben genug Qualität“

von Redaktion

Ex-DFB-Direktor Oliver Bierhoff über die DFB-Chancen und Parallelen zu 2014

Steht für Qualität: Deutschlands Super-Dribbler Jamal Musiala vom FC Bayern. © IMAGO

Jetzt geht es richtig los. Am Samstag (21 Uhr) trifft die DFB-Auswahl im Achtelfinale der Heim-EM auf Dänemark. Oliver Bierhoff hat sich bisher alle Spiele der Nationalmannschaft im Stadion angesehen. Im Interview schätzt der ehemalige DFB-Direktor Deutschlands Titel-Chancen ein.

Herr Bierhoff, wie haben Sie die Nationalmannschaft in der Vorrunde erlebt?

Wir sind völlig zu Recht Gruppensieger geworden. Wir haben in der Vorrunde meiner Meinung nach eine sehr starke deutsche Mannschaft erlebt, die insbesondere in den ersten beiden Partien ihre Dominanz und Klasse unter Beweis gestellt hat. Gegen die Schweiz waren wir zwar auch die klar spielbestimmende Mannschaft, aber hatten nicht über 90 Minuten diese hundertprozentige Durchschlagskraft wie in den ersten beiden Partien. Jetzt gilt es, das gute Gefühl und das Selbstbewusstsein in der K.o.-Phase mitzunehmen.

Was kann der Last-Minute-Ausgleich gegen die Schweiz in einem Team auslösen?

Toni Kroos hat es nach dem Spiel gegen die Schweiz gut formuliert: Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie mit einem Rückstand umgehen kann und bis zum Ende an sich glaubt. Solche Momente und Emotionen schweißen eine Mannschaft noch mal enger zusammen. Der Last-Minute-Ausgleich hat der Moral der Mannschaft gutgetan und gezeigt, dass bis zur letzten Minute immer alles möglich ist. Aber das ist kein Selbstläufer. Bei der WM 2018 hat Toni Kroos gegen die Schweden in letzter Minute den Sieg geholt, dennoch sind wir ausgeschieden.

Sehen Sie in Sachen Stimmung und Teamgeist Parallelen zu 2014, als der DFB und Sie Weltmeister wurden?

2014 war natürlich aus vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes Turnier. Der Zusammenhalt und Teamspirit auf und neben dem Platz waren einzigartig. Ich habe aber das Gefühl, dass die Mannschaft auch beim jetzigen Turnier auf und neben dem Platz einen starken Zusammenhalt hat. Da haben Julian Nagelsmann und sein Team einen großen Anteil dran. Sie haben eine Mannschaft zusammengestellt und eingestimmt, bei der man jederzeit den Eindruck hat, da hilft einer dem anderen und da zerreißt sich einer für den anderen. Jetzt gilt es diesen Spirit und das Mindset aufrechtzuerhalten und zu zeigen, dass man den absoluten Willen hat.

Welchen Eindruck haben Sie bisher von Bundestrainer Julian Nagelsmann?

Er ist ein absoluter Top-Trainer. Das wusste ich schon vor seiner Zeit beim DFB und das hat er auch in der Bundesliga erfolgreich unter Beweis gestellt. Man merkt, dass er klare Vorstellungen hat, die er der Mannschaft übermittelt.

Aber ist die deutsche Mannschaft taktisch eventuell zu leicht ausrechenbar? Worauf kommt es ab dem Achtelfinale gegen Dänemark an?

Ich glaube nicht, dass die Mannschaft taktisch leicht ausrechenbar ist. Die Gruppenphase hat gezeigt, dass die Spieler taktisch gut auf verschiedene Situationen reagieren können und für jeden Gegner unangenehm zu bespielen sind. Jetzt kommt es vor allem auf den Spirit, den Fokus und den absoluten Willen an. Qualität haben wir genug in der Mannschaft.

Welche Mannschaften sind Deutschlands größte Konkurrenten um den EM-Titel?

Für mich gab es vor dem Turnier nie diesen einen Favoriten. Die ein oder andere Mannschaft hatte man vor dem Turnier stärker eingeschätzt, England zum Beispiel. Nach der Gruppenphase sehe ich auf jeden Fall die Spanier als einen starken Konkurrenten an. Auch mit den Franzosen muss man immer rechnen, auch wenn ihre Leistungen in der Gruppenphase durchwachsen waren.

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