Lunde 1986 als Bayern-Neuzugang – er ist bis heute glühender FCB-Fan. © IMAGO
Bisher enttäuscht von seinen Landsleute: Lars Lunde. © IMAGO
Lars Lunde machte in den 90er-Jahren als Torjäger in der Schweiz so sehr auf sich aufmerksam, dass ihn der FC Bayern im Oktober 1986 verpflichtete. Knapp eineinhalb Jahre später erlitt der Däne bei einem Verkehrsunfall 1988 schwere Verletzungen, von denen er sich nicht vollständig erholte. Er beendete seine Karriere mit 26 Jahren. Auch deshalb kam Lunde „nur“ auf drei A-Länderspiele. Unsere Zeitung hat mit dem 60-Jährigen über das Duell am Samstag gesprochen.
Herr Lunde, geboren in Dänemark, wohnhaft in der Schweiz, mit dem Herzen verbunden nach München. Mit wem fiebern Sie eigentlich am meisten mit?
Ganz klar mit Dänemark. Ich bin Däne – und nur fast Schweizer (lacht). Aber ich weiß schon, dass es am Samstag nicht einfach wird. Deutschland spielt zu Hause, die Euphorie ist groß. Aber sie sind nicht unschlagbar!
Wer hat es denn im Achtelfinale schwerer: die Schweiz gegen Italien oder Dänemark gegen Deutschland?
Beide haben es schwer. Italien ist gut, Deutschland ist gut. Für beide kleineren Mannschaften wird es hart, aber ich habe das Gefühl, dass bei dieser EM alles passieren kann. Denken wir nur mal an Georgien! Außerdem kann bei der deutschen Mannschaft nicht alles innerhalb eines halben Jahres wieder gut sein. Was sie gerade trägt, ist der Rückenwind – das drängt viele Dinge in den Hintergrund. Wenn man aber das Spiel gegen die Schweiz mal genau anschaut: Das war nicht total überzeugend.
Immerhin sind sie nach einem Rückstand wieder aufgestanden.
Das hätten sie vielleicht vor einem halben Jahr nicht geschafft. Ich bin aber nicht überzeugt von der Defensive. Und auch Wirtz und Musiala müssen sich noch behaupten, wenn sie gegen eine richtig gute Mannschaft spielen. Verstehen Sie mich nicht falsch, das sind überragende Spieler. Aber weder in ihren Vereinen noch in der Nationalmannschaft haben sie gegen die ganz Großen richtig überzeugt.
Kann sich Dänemark an der Schweiz orientieren? Das aggressive Pressing hat Deutschland vor massive Probleme gestellt.
Ach wissen Sie! Pressing! Mir ist das alles zu theoretisch. Auf dem Platz geht es um Gier. Ich halte es da mit Oliver Kahn: Hast du Eier oder hast du keine Eier? Früher war es kaum möglich, dass ein Kleiner einen Großen geschlagen hat. Aber heute gibt es diese Tage, an denen der Willen entscheiden kann. Ich denke da auch an Österreich. Die gefallen mir richtig gut!
Auch früher ist das ab und an gelungen – zum Beispiel im Jahr 1992 im Finale.
Stimmt, daran denken wir natürlich jetzt auch. Aber bisher hat mich Dänemark wirklich enttäuscht bei dieser EM. Dänemark ist außerdem traditionell eine sehr launische Mannschaft, es geht viel ums Gefühl. Wenn es gut läuft, kann alles passieren. Aber wenn es nicht gut läuft, läuft halt auch gar nichts.
Was erwartet man in Dänemark vom Team? 2021 stand man ja im Halbfinale…
Kasper Hjulmand steht viel in der Kritik. Und auch ich bin nicht so überzeugt. Früher waren die Dänen bekannt für sehr gute Einzelspiele, jetzt kommen sie über das Kollektiv. Aber das Halbfinale 2021 war schon ein Ausreißer nach oben.
So wie 1992. Wie sind Ihre Erinnerungen an damals?
Ich habe gejubelt, aber mit gemischten Gefühlen. Denn nach meinem Autounfall 1988 musste ich meine Karriere ja beenden. Ein Großteil des Teams, das damals auf dem Feld stand, war meine alte U21-Mannschaft – ich habe mich für sie gefreut, aber ich war auch traurig. Nach meiner Zeit bei Bayern habe ich wieder angefangen, gut zu spielen. Viele haben gesagt: Eigentlich wärst Du dabei gewesen. Aber dann kam halt dieser blöde Unfall.
War das eine Ausnahme-Generation?
Wir? Nicht wirklich. Das eine Teamleistung. Eher die Generation für uns mit Morten Olsen, Preben Elkjær Larsen, Sören Lerby und Michael Laudrup. 1992 hatten wir nicht so gute Einzelspieler.
Wie viel „Rausch“ würde ein Sieg gegen die Deutschen am Samstag erzeugen?
Ich sage es mal vorsichtig: Die Deutschen sind nicht überall beliebt. Das liegt vor allem daran, dass sie gut sind (lacht). Wir hätten daher viel Spaß daran, die Deutschen zu schlagen.
Ist man gerne der Spielverderber? Stichwort Sommermärchen.
Ich finde die Stimmung echt gut, aber noch nicht wie 2006. Dafür muss ein Sieg gegen Dänemark her – und dann einer gegen Spanien. Das wird tough. Auch wenn ich Chancen gegen Spanien sehe. Wie die jungen Spanier bisher zocken und frech spielen, ist super anzusehen. Aber ich glaube, die Erfahrung fehlt ihnen. Man muss schon wissen, dass es etwas anderes ist, gegen Deutschland im eigenen Land zu spielen. Da spielt der Kopf mit.
Sie kennen sich aus mit Fußball-Stimmung in Deutschland, waren einer der ersten Dänen in der Bundesliga. Heute sind gleich zehn Akteure mit Bundesliga-Backround im Kader. Warum fühlen sich Dänen in Deutschland so wohl?
Dänen haben in der Bundesliga eine lange Tradition. Wir sind ein bisschen frecher als die Deutschen, aber es hat trotzdem gut zusammengepasst. Und bei uns war die Sportschau am Samstag auch immer Pflicht. Ich war nie Bayern-, sondern Gladbach- oder HSV-Fan. Aber dass ich dann bei Bayern spielen durfte hat mir klar gemacht, dass das der beste Verein ist.
Wie viel Bayer sind Sie geworden?
Ich bin ein echter Bayer geworden! Wenn ich heute Fußball schaue, dann nur Bayern. Ich schaue keinen dänischen Fußball, keine Premier League, nur das Bayern-Spiel jedes Wochenende. Uli Hoeneß hat mein Herz rot-weiß gemacht.
Er hat Sie nach dem Unfall zu Hause aufgenommen. Wie eng ist ihr Draht zu ihm und seiner Familie noch?
Erst zuletzt, beim Spiel gegen Gladbach, habe ich ihn gesehen – wir haben uns sehr gefreut. Zu meinem 60. Geburtstag hat mir Herbert Hainer außerdem einen sehr netten Brief geschrieben. Genial! Was Bayern für mich gemacht hat, ist wirklich unglaublich. Was mich zuletzte gestört hat: Was die Leute über Uli Hoeneß sagen. Ja, sagen Sie mal: Spinnen die? Wenn sich Uli Hoeneß nicht mehr erlauben kann, etwas zu sagen, dann ist das eine Frechheit. Wenn jemand Fußballverstand und ein großes Herz für Menschen hat, ist das Uli Hoeneß. Jeder, der nicht seinen Rat sucht, ist dumm.