Der Kapitän als Bank am Elfmeterpunkt: Bayern-Star Harry Kane gilt als einer der sichersten Schützen der Engländer. © Imago
Blankenhain/Gelsenkirchen – Alle Jahre wieder – das ist für Englands Fußballer nicht gerade eine frohlockende Botschaft. Nach dem gelösten Ticket für die K.o.-Runde der EM droht dem Fußball-Mutterland mal wieder die so gehasste Disziplin, die sie in den vergangenen Jahren so oft vorzeitig aus wichtigen Turnieren warf: das Elfmeterschießen. In Zusatzschichten – häufig nach den eigentlichen Einheiten – üben und simulieren Harry Kane und Co. im sonnigen Blankenhain vor dem Achtelfinale am Sonntag gegen die Slowakei (18.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) den Ernstfall vom Punkt.
„Wir investieren sehr viel Arbeit dafür. Es lief richtig gut bei den Elfmetern im Training. Und es ist wichtig, dass wir sicherstellen, dass wir für den Fall der Fälle bereit sind“, sagte Abwehrspieler Marc Guehi. Als ein weiterer Journalist zu den Details und der Häufigkeit der Übungen nachhakte, zeigte sich aber die ganze Nervosität im englischen Lager.
„Tut mir leid, ich werde mich da einmischen. Ich möchte keinen Wettbewerbsvorteil verschenken“, sagte Kommunikationschef Andy Walker und unterband eine Antwort des Profis von Crystal Palace. Walker rief unmittelbar den nächsten Reporter auf. Der ausgebremste Guehi grinste verlegen.
Abwehrkollege Kieran Trippier hatte zuletzt bereits das Prozedere unter Cheftrainer Gareth Southgate beschrieben. Dabei werden Spieler ausgewählt, die jeweils drei Strafstöße schießen – diese wiederum werden analysiert. Dabei hätten die Three Lions und der viel kritisierte Southgate vor der Rückkehr nach Gelsenkirchen, wo tausende Fans nach dem 1:0 gegen Serbien zum EM-Auftakt ein Transportchaos erlebten, genug zu tun.
In der rumpeligen EM-Vorrunde mit nur zwei Toren haperte es an Esprit, Ideen und Tempo. Doch die Extra-Arbeit für die Elfmeter ist Pflicht. Zu sehr drückt die Geschichte, in der England bei den wichtigen Turnieren seit der WM 1998 nur einmal als Sieger aus dem Nervenspiel hervorging.
Southgate hat in seinen knapp acht Jahren als Chefcoach schon einiges probiert: Vor der WM 2018 erzählten sich Trainer und Profis Witze über die ganzen Niederlagen vom Punkt, bei denen Southgate bereits als Spieler maßgeblich beteiligt war: Im Halbfinale der EM 1996 gegen Deutschland verschoss der heutige Nationalcoach selbst den entscheidenden Elfmeter. Seine Maßnahmen schienen jedoch zunächst etwas zu bringen: Gegen Kolumbien gelang bei der WM 2018 tatsächlich mal ein Erfolg im Elfmeterschießen.
Das Elfmeterschießen samt seinen Geschichten, Lehren und Tücken füllt inzwischen ganze Bücher. Im September dieses Jahres erscheint ein Werk mit dem Titel „Unter Druck – Was wir aus der Psychologie des Elfmeterschießens fürs Leben lernen können“ – das Buch hat 290 Seiten.. Ob gegen die Slowakei ein neues dazukommt? Bayern-Star Kane zählt laut „Telegraph“ zu den sichersten Schützen.
DPA