Ansahs Sprint in die Geschichtsbücher

von Redaktion

9,99! Als erster Deutscher über 100 m unter 10 Sekunden – DM-Titel auch für Lückenkemper

Magische Marke: 9,99 Sekunden. © dpa

Historischer Rekordlauf: Owen Ansah knackte als erster deutscher Sprinter über 100 m die Zehn-Sekunden-Marke. © dpa

Braunschweig – Owen Ansah hüpfte wie ein Flummi auf und ab, schrie seine Freude heraus und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. Der Blick auf die Anzeigentafel ließ den Hamburger staunend zurück: 9,99 Sekunden stand da. Neunkommaneun Sekunden! Über 100 m. Als erster deutscher Sprinter knackte der 23-Jährige bei den nationalen Meisterschaften in Braunschweig die magische 10-Sekunden-Marke. Der Münchner Yannick Wolf wurde in 10,16 Sekunden hinter Joshua Hartmann (Köln/10,06) Dritter.

„Ich habe mich sehr gut gefühlt, aber angekommen ist es noch nicht“, sagte Ansah, nachdem er den deutschen Rekord von Julian Reus aus dem Jahr 2016 um zwei Hundertstelsekunden verbessert hatte: „Wenn ich die Zeit schwarz auf weiß auf der Urkunde sehe, glaube ich es erst. Aber ich bin mega happy.“ Ansah holte nach 2022 seinen zweiten deutschen Meistertitel über die prestigeträchtigen 100 m und knackte zudem die Norm für die Olympischen Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August). Seinen historischen Rekordlauf widmete Ansah seinem Vater. „Er ist mein großes Vorbild“, sagte Ansah: „Er hatte am Dienstag Geburtstag und gesagt, er wünsche sich gerne eine Goldmedaille.“ Der Sohn lieferte – nicht nur Gold, sondern auch den deutschen Rekord.

Von seinem Vater, der aus Ghana stammt, hat Ansah auch das Talent für die Leichtathletik geerbt. „Mein Papa hat damals schon als Kind auch Leichtathletik gemacht. Das hat er mir dann irgendwann mal durch die Blume so erzählt“, sagte der 23-Jährige.

Bei den Frauen sicherte sich Gina Lückenkemper souverän ihren dritten Titel in Serie. Die Ex-Europameisterin war in 11,04 Sekunden nicht zu schlagen – und hatte wegen Ansah eine „Mega-Gänsehaut“.

Ansah setzte mit seinem Rekordlauf den absoluten Höhepunkt am ersten Tag der Meisterschaften, der Rest der DLV-Asse hatte teilweise noch viel Luft nach oben.

„Ich bin sehr erleichtert“, sagte Diskus-Ass Kristin Pudenz, die sich mit neuer Saisonbestleistung von 65,93 m ihren sechsten Titel sicherte: „Ohne diesen Wurf wäre ich nicht nach Paris gefahren.“ Denn: Die Olympia-Zweite war nur als Nummer vier in Deutschland nach Braunschweig gekommen, doch als deutsche Meisterin mit erfüllter Norm hat die Potsdamerin nun ihr Ticket sicher. Wer Pudenz begleitet, ist offen: Die Norm erfüllt haben zudem Marike Steinacker, Shanice Craft und Claudine Vita – es gibt aber nur drei Plätze.

Hochsprung-Hoffnungsträger Tobias Potye kam bei seinem Titelgewinn nicht über 2,18 m hinaus. Der WM-Fünfte und Vize-Europameister von 2022 hatte sich zuletzt an der Patellasehne operieren lassen müssen und deshalb auch die EM in Rom verpasst. Die Olympianorm hatte der Münchner bereits im Vorjahr geknackt, in Galaform ist er nach der OP aber noch nicht wieder. „Natürlich will man immer höher springen“, sagte Potye.

Drama um Vetter

Ein Drama erlebte Johannes Vetter, der Olympia-Traum des deutschen Rekordlers im Speerwurf ist geplatzt. Der Körper streikte einmal mehr beim ehemaligen Weltmeister, mit Schmerzen in der rechten Schulter und dem rechten Ellenbogen kam der Offenburger beim nächsten Titelgewinn von Julian Weber (86,63 m) nicht über 73,16 m hinaus und landete damit nur auf Rang sechs.

Dem Wurfarm gehe es „beschissen“, sagte Vetter, dem nach dem Wettkampf die Tränen kamen: „Seit März steht fest, dass ich definitiv am Ellenbogen operiert werden muss. Trotzdem habe ich es heute versucht.“ Und bis zum Schluss hoffte er, dass ihm irgendwie noch ein guter Wurf gelingen würde, vielleicht sogar über die geforderte Olympia-Norm von 85,50 m: „Aber die Schmerzen waren einfach zu groß.“ Nun findet Olympia in Paris auch ohne ihn statt. „Fakt ist, dass der Zug nach Paris abgefahren ist“, sagte Vetter.

Christina Hering (LG Stadtwerke München) gewann über die 800 m, verpasste jedoch die Bestätigungsnorm für die Olympischen Spiele in Paris.
SID

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