TAGEBUCH

Landeskunde auf dem Teppich zum Stadion

von Redaktion

Wie gelangt der Fan zum Stadion? Mit dem Auto – da schiebt die UEFA einen Riegel vor, weil sie fürchtet, einen ungünstigen CO2-Wert für ihr Event um die Ohren gehauen zu bekommen. Mit der Bahn – eigenes Kapitel, am Samstag haben wir die Störungsvarianten „Defekte Tür“, „Liegengebliebener Güterzug auf der eingleisigen Strecke vor uns“ sowie „Vor uns hat sich ein Zug verbremst“ kennengelernt. Gut, und wenn man doch noch in der Zielspielstadt angekommen ist – wie bewältigt man die letzte Etappe? Das zuverlässigste Verkehrsmittel in Deutschland ist: der eigene Fuß. Er ist noch zuverlässiger als das Fahrrad. Das Rad kann einen Platten bekommen oder geklaut werden. Beim Schuh ist die Diebstahlsgefahr geringer und maximales Unbill der Schnürsenkelriss. Dass man zu Fuß geht, ist im Kontext einer Fußballveranstaltung auch ganz passend.

In Dortmund werden die EM-Besuchenden animiert, die Wegstrecke vom Hauptbahnhof zum Stadion per pedes zu absolvieren. Dafür hat man ihnen einen Teppich ausgelegt. Zwar keinen roten, aber einen grünen aus Kunstrasen. Sagte zwar auch nicht allen zu, weil so ein kilometerlanges Band nach Gebrauch Sondermüll ist – doch für den Moment ist der Teppich gut. Er dämpft wie die Finnenbahnen, die man in den 90er-Jahren baute. Fußballfans sind in einem Alter und einer Gewichtsklasse, dass ihnen gelenkschonender Untergrund willkommen sein muss.

Die Dortmunder Route ist auch unter völkerkundlichen Aspekten sehr zu empfehlen. Auf dem Teppich passieren wir Kioske mit der Leuchtschrift „Bier“ (klarer kann Kommunikation nicht sein), als Alternative ist „Aperol to go“ ausgeschrieben. Ein signiertes Trikot im Schaufenster eines Friseurs verrät, dass Ex-BVB-Spieler Thomas Meunier hier war, damit er besser aussieht als seine Flanken. Das Lokal „Mit Schmackes“ schlägt die Brücke von der Kulinarik zum strammen Schuss. Man ist im Ruhrpott und sollte sich auf ihn einlassen.

Aus Kübeln werden Likör-Shots für 1 Euro verkauft, an der letzten Bratwurstbude vor dem Westfalenpark gibt es „Zwei Nackensteaks in einem Brötchen“ für 7 Euro. In der UEFA-Zone ist alles weniger, teurer, ohne regionalen Charakter – und ohne Teppich. Futter für sitzende statt gehende Menschen.

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