Sie verzücken ein ganzes Land: Österreich hat die Todesgruppe mit Frankreich und der Niederlande als Erster beendet. © Gora/dpa
Legendäres Interview 1999: Österreich liegt zur Halbzeit 0:5 gegen Spanien zurück.
Auch heute noch oft im Stadion: Ex-Nationalspieler Anton „Toni“ Pfeffer. © IMAGO
Mit einem legendären Halbzeit-Interview im März 1999 erreichte Anton „Rambo“ Pfeffer Kult-Status. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der frühere Verteidiger der österreichischen Nationalmannschaft unter anderem über seinen berühmten TV-Satz, den umjubelten ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick und das Achtelfinale am Dienstag (21 Uhr) in Leipzig gegen die Türkei.
„Hoch werma’s nimma g’winnen!“ Ihr Spruch von vor über 25 Jahren ist noch immer Kult. Wie kam es eigentlich dazu?
Das war in der Pause bei einem EM-Quali-Spiel 1999 gegen Spanien. Vor dem Spiel habe ich diesem Flash-Interview beim ORF zugesagt. Nach 45 Minuten stand es 0:5 und ich habe mich gefragt, ob ich wirklich sprechen soll… Dann hat der Reporter die Frage gestellt, was man in der zweiten Halbzeit noch erwarten kann. Und ich habe – wie aus der Pistole geschossen – geantwortet: ‚Hoch werma’s nimma g’winnen!‘ Ich war brennheiß, wir hatten nicht den Funken einer Chance. Im Nachhinein war ich über meine Schlagfertigkeit überrascht. Aber man muss die Vorgeschichte zum Interview kennen.
Bitte.
Wir haben in der Quali auf Zypern 3:0 gewonnen. Und die Spanier haben dort 2:3 verloren. Die Erwartungshaltung bei uns war also dementsprechend groß. Bis dahin hatten wir sehr gute Ergebnisse geliefert. Die Spanier waren aber angespitzt und haben sich gesagt: ‚Die müssen wir zerstören!‘ Wir sind zum Spiel nach Valencia geflogen, mit dem Badetascherl unterm Arm und waren locker auf Sommerfrische unterwegs. Und das hat ein fatales Ende (0:9, Anm. d. Red.) gehabt.
Das Interview ist nach wie vor ein Hit.
Stimmt. Der österreichische Politik-Experte Peter Filzmaier wurde vor ein paar Jahren bei einer Bundespräsidentschaftswahl im TV gefragt, wie die Chancen der Großparteien stehen. Er hat geantwortet: ‚Hoch werden’s des net g’winnen.‘ Ich bin mit meiner Frau auf der Couch gelegen, habe die Nachrichtensendung ZIB2 geschaut und ihr daraufhin gesagt: ‚Jetzt hab‘ ich’s geschafft!‘
Nervt Sie, dass Sie noch immer auf das Interview angesprochen werden?
Nein. Es ist fast wie ein Markenzeichen. Egal, in welcher Liga es zur Pause 0:5 steht – irgendeiner bringt den Spruch immer. So habe ich mir in der Geschichte einen kleinen Platz geschaffen. Natürlich wäre es gescheiter, wenn man mit positiven Ergebnissen in Erinnerung bleibt. Aber das stört mich nicht.
Welches positive Erlebnis mit dem ÖFB bleibt Ihnen in Erinnerung?
In der Qualifikation für die EM 1996 haben wir mit 3:1 in Irland gewonnen. Das war mein bestes Länderspiel. Teamchef Herbert Prohaska war angezählt. Aber wir haben ein lässiges Spiel gemacht und den Sieg geholt. Wenn ich das Erlebnis anspreche, läuft es mir heute noch kalt den Rücken runter. Alle der knapp 40 000 Zuschauer sind nach dem Spiel aufgestanden und haben uns applaudiert. Man hört immer, dass die Iren super Fans sind. Aber das hat es wirklich noch mal unter Beweis gestellt. Es war ein erhebendes Gefühl, schon ein Ritterschlag.
Den hätte die aktuelle österreichische Nationalmannschaft auch verdient.
Unbedingt! Ich verfolge die Mannschaft von Ralf Rangnick von der ersten Minute an. Ich habe ja gehört, dass der Teamchef von Haus aus klar kommuniziert hat, was er haben möchte. In der Wirtschaft ist es ja auch so: Wenn man etwas erreichen will, muss man als Chef gewisse Dinge ansprechen und die Leute müssen vor allem verstehen, was man sagt. Bei Rangnick ist das der Fall.
Woran merken Sie das?
Im Juni 2022 sind wir zum ersten Länderspiel unter Rangnick nach Kroatien gefahren und haben mit 3:0 gewonnen. Damit ist ein Schwung in Gang gesetzt worden. Die Spieler können ja manchmal auch Hundsschädel sein, die testen dann den Trainer aus. Aber wenn sie merken, alles, was der Coach sagt, Hand und Fuß, dann gehen sie für ihn durchs Feuer. Und das sieht man bei Rangnick.
Was ist Ihnen noch aufgefallen?
Im Vergleich zum 3:1 gegen Polen hat Rangnick gegen die Niederlande die beiden Innenverteidiger in der Startelf ausgetauscht. Das ist sehr gewagt. Im Verlauf des Spiels tauscht er mit Querfeld auch noch einen anderen Abwehrspieler ein. Was passiert? Er signalisiert der ganzen Mannschaft, dass er allen Spielern das Vertrauen gibt, dass jeder zu jeder Zeit einsetzbar ist. Dann entsteht eine Eigendynamik. Als Spieler sagst du dir: ‚Bist du depat!‘ Das ist ein verschworener Haufen, der ganz schwer zu besiegen ist bei der EM.
Das klingt ziemlich zuversichtlich für das Achtelfinale gegen die Türkei.
Zu viel Optimismus ist immer gefährlich. Diese Fehler, die die Türken damals beim 6:1 im letzten Testspiel gegen uns gemacht haben, werden sie nicht wiederholen. Mit Calhanoglu fehlt das Herz der Mannschaft gelbgesperrt. Das ist kein Nachteil für uns. Aber ich bin überzeugt: Wenn nur ein einziger unserer Spieler im Training die Zügel locker lässt, wird der Teamchef zu verhindern wissen, dass etwas einreißt. Ich bin geneigt zu sagen: Die Spieler wissen Bescheid, die brauchen auch keine harte Hand jetzt. Sie wollen weit kommen. Es ist eine einmalige Chance, um zu beweisen, dass man mit der Truppe für Furore sagen kann. Zwar muss man die Kirche auch im Dorf lassen, aber wir haben in der Gruppe gegen den Zweiten und Siebten der FIFA-Weltrangliste gewonnen.
Wer sind die Schlüsselspieler Österreichs?
Ich fange hinten an: Pentz ist fußballerisch ein guter Torhüter. Und was zu halten war, hat er gehalten. Lienhart hat das gesamte Frühjahr über in Freiburg nicht viel gespielt und trotzdem hat er die Partien bei der EM tadellos runtergespielt. Trauner hat sich tragischerweise gegen Polen etwas verletzt, aber seine vertikalen Pässe, die durch die Linie gehen, taugen mir. Danso ist auch unglaublich gut. Dazu die Außenverteidiger Mwene und Posch.
Wer noch?
Dann bin ich bei einem meiner Niederösterreicher: Baumgartner hat ein unglaubliches Ballgefühl, er bringt auch Geschwindigkeit zusammen. Das erinnert mich an Herzerl, der auch mit dem Ball schneller geworden ist. Die Eins-gegen-Eins-Situationen löst er auch hervorragend. Laimer ist eine Maschine, die 90 Minuten auf und ab renn. Seiwald ist auch top.
Und Sabitzer?
Ganz ehrlich: Bis zum Holland-Spiel hat er mich nicht überzeugt. Weil er Dinge gemacht hat, die er sonst nicht machen. Ich war gegen die Polen im Stadion. Er wurde sehr oft auf der linken Seite angespielt. Statt schnell rein in die Mitte zu passen, hat er immer einen Haken zurück gemacht und ins Mittelfeld gespielt. Das war nicht der Sabi, den ich kenne. Normal attackiert er. Das hat er gegen Holland gemacht. Dazu sein unglaubliches Tor. In Wahrheit darf man aber gar keinen Österreicher ausklammern. Das Kollektiv ist unsere große Stärke. Wir können bei der EM sehr weit kommen, glaube ich.
Wie weit?
Ich bin immer einer, der den Zeigefinger hebt und sagt: ‚Aufpassen!‘ Der Österreicher kennt ja eigentlich nur Schwarz oder Weiß. Entweder ist er himmelhochjauchzend oder zu Tore betrübt. Ich wünsche mir, dass die Unterstützung auch da ist, wenn es mal nicht so rennt. Jetzt gilt es die Kräfte zu sammeln fürs Achtelfinale. Wir haben einen Tag mehr Regeneration als die Türkei. Das ist sicher kein Nachteil.
Rangnick hat mittlerweile fast Heldenstatus in Österreich. Anfangs wurde er noch sehr kritisch gesehen.
Man muss eines sehen: Der Österreicher ist ein alter Patriot und würde gerne einen österreichischen Teamchef sehen. Jetzt ist es aber so: Rangnick hat sich vor der EM gegen den FC Bayern entschieden und für Österreich. Er muss ja das Gefühl haben, dass er mit dieser Mannschaft viel erreichen kann und bei Bayern nicht alles tun kann, was er will. Das kann er natürlich beim ÖFB auch nicht. Aber ich bin überzeugt, dass er die Macht bekommt, um gewisse Strukturen zu verändern. Das wird dem ein oder anderen nicht so schmecken. Aber was er auf seiner Vita mit Hoffenheim, Salzburg oder Leipzig stehen hat, ist beeindruckend. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Strukturen, die er vorgibt, Hand und Fuß haben. Es kann dem österreichischen Fußball nur guttun, wenn an der ein oder anderen Schraube noch gedreht wird.
INTERVIEW: PHILIPP KESSLER