Hofft auf Besserung: Sky-Experte Erik Meijer. © IMAGO
Wie lange halten sie durch? Die Niederlande um Depay (M.) muss sich gegen Rumänien steigern. © IMAGO
München – Wenn Erik Meijer an das Achtelfinale denkt, das seine Niederlande heute (18 Uhr) in München gegen Rumänien spielt, denkt er auch an die deutsche Wirtschaft. „Ich bin positiv – und hoffe, dass wir noch ein paar Euro in Deutschland ausgeben können“, sagt der Sky-Experte und lacht. Vielleicht ist es nur gut, sich dem Duell, das für sein Heimatland einer Schicksalspartie gleichkommt, mit einer gesunden Portion Humor zu nähern. Denn bisher hatten die Holländer bei der EURO im Nachbarland – zumindest auf dem Feld – wenig zu lachen. Meijer sagt zurecht: „Es kann nur besser werden.“
Auf dem Papier ist die Elf des in der Kritik stehenden Ronald Koeman als Vorrundendritter tatsächlich Außenseiter. Rumänien kommt als Sieger der Gruppe E daher, aber Meijer sieht das sogar positiv. Die dürftige Vorrunde und die ernüchternde Pleite im Gruppenfinale gegen Österreich (2:3) sei am Ende sogar von Vorteil, sagt der ehemalige Nationalspieler: „Wir sind ja sogar belohnt worden, weil wir in den Teil des Turnierbaums gerutscht sind, in dem es Möglichkeiten gibt.“ Gegen Rumänien könne man nun zeigen, „dass wir doch etwas besser sind“. Gelingt das, wäre es das beste Abschneiden seit der EURO 2008. Gelingt es nicht, ist Holland in Not. Mal wieder.
Auch Meijer erinnert sich noch gut an die Zeiten, in denen ein Turnier für sein Land ab dem Viertelfinale erst los ging. Inzwischen aber kommt die Elftal als das Gegenteil einer Turniermannschaft daher. „Unser Passspiel ist nicht gut, defensiv geben wir viel zu viel weg“, sagt der 54-Jährige, der zugibt, mit „gemischten Gefühlen“ in den Achtelfinal-Tag zu starten. Im Moment fehle es der eigentlich hochbegabten Elf an „Spielern, die den Unterschied machen“. Einen wie einst Marco van Basten oder Arjen Robben sucht man vergeblich. Dass immerhin der umstrittene Stürmer Memphis Depay nun getroffen hat, macht Meijer Mut: „Ich hoffe, dass ihm das jetzt Selbstvertrauen gibt und das ein Knotenlöser war.“ Nicht nur er würde „den Mann mit dem Stirnband gerne noch ein wenig länger sehen“.
Damit das gelingt, hat das Team vor der K.o.-Runde eine interne Aussprache initiiert. Im Fokus stand dabei nicht die Taktik, sondern der „Siegeswille“, wie Kapitän Virgil van Dijk verriet. „Harte Worte“ seien gefallen: „Wenn wir etwas erreichen wollen, muss sich schleunigst etwas ändern.“ Denn auch Rumänien ist keine Laufkundschaft – und derselbe Fehler wie gegen Österreich muss laut Meijer tunlichst vermieden werden: „Wir schätzen uns selber zu gut ein.“
Noch verbittet sich Koeman Fragen nach der eigenen Person, München aber wird auch zu seinem Schicksalsort. Genau wie alle anderen Holländer hofft der Coach daher, dass der Funke von den Fans endlich auch auf den Rasen überspringt. Seit zwei Wochen machen die niederländischen Fans die Austragungsorte ihrer Spiele zur Feiermeile. Meijer lacht: „Das seid ihr ja von uns gewohnt.“ Nun, wo die Schotten nicht mehr dabei sind, sei man alleine der „Partymaker“. Nach links, nach rechts, und so.
Wie es um die Fußballkultur im Nachbarland steht, wird man auch in München am Dienstag sehen. Oranje überall, so viel ist sicher, aber Meijer schaut auch gerne etwas detaillierter in die Menge. „Da steht der Anwalt neben dem Fabrikarbeiter und dem Tulpenzüchter. Sie alle haben Spaß zusammen – was will man mehr?“, fragt er. Weil die letzten Turniere aufgrund der Corona-Pandemie und dem Austragungsort Katar die Holland-Ekstase nicht zuließen, habe sich eben viel angestaut. Seit Jahren legen sich die Landsleute Geld zur Seite, um hierzulande für „Ballermann-Feeling zu sorgen“.
Ein jähes Ende tät weh – und auch dem Turnier nicht gut. Vielleicht also auf Meijer hören, wenn er sagt: „Ich habe trotzdem noch Vertrauen.“ Sein Geheimrezept: „Die Ketchup-Flasche muss richtig geschüttelt werden von Ronald Koeman. Damit dann richtig Ketchup rauskommt.“ HANNA RAIF