Rod Stewart, der alte Fußballer und Schotte, hat es auf seinem Münchner Konzert (und wahrscheinlich auch auf anderen Stationen seiner Tournee) gesagt: Ein Spiel von England sei weniger interessant als ein vom Ufer aus verfolgtes U-Boot-Rennen in tiefem Gewässer. Ein schöner Schmäh, dem man nach dem Verlauf der EM-Vorrunde und weiten Teilen des Achtelfinales beipflichten muss. Und dennoch darf man feststellen: Es ist ein Segen, dass die Engländer es noch hingebogen haben gegen die Slowakei und somit im Turnier verbleiben.
Völlig klar: Die „Three Lions“ werden scheitern, weil sie das immer tun bei allem, was nach 1966 kam. Aber je später ihnen ein stärkerer Gegner, das eigene Ungeschick oder ein Elfmeterschießen in die Quere kommen, desto unterhaltsamer ist es für die anderen. England ist zuständig für das Entertainment. Es schreibt mit die skurrilsten Fan-Geschichten, es hat die schrillste Presse im Schlepptau – und ein zweites aufregendes Team am Start: die „Wags“ (Wives and girlfriends). England ist das Mutterland des Fußballs und der Spielerfrauenberichterstattung.
Dass die Engländer der Favorit in den Wettbüros waren, obwohl jeder halbwegs informierte Fan um den Fluch weiß, der sie umgibt, lag daran, dass sie einen Kader haben, dessen Marktwert sich auf 1,5 Milliarden Euro beläuft. Allerdings sollte man die bisherige Performance zum Anlass nehmen, diese finanzielle Kategorisierung einmal zu hinterfragen. Die Premier League ist perfekt vermarktet, sie fasziniert weltweit, Investoren von überallher kaufen sich ein, dementsprechend viel Geld fließt durch das System. Englische Clubs verpflichten portugiesische Wunderkind-Geheimtipps für 70 Millionen Euro und brasilianische Torhüter für 80, und in dieser Hochglanzwelt bekommen auch die heimischen Spieler Preisschilder mit Fantastillionen angeheftet. Wenn englische Nationalspieler im Schnitt 57 Millionen Euro schwer sein sollen, ist das eine Verzerrung der Realität.
Aber das gehört eben zu dieser speziellen Kultur. Genauso wie die Ausschläge in der Bewertung des Trainers. Bis zum Beginn der Nachspielzeit im Achtelfinale gegen die Slowakei waren die Noten für Trainer Gareth Southgate schlechter als für US-Präsident Joe Biden nach seinem Fernsehduell – und mit zwei Toren durch Spieler, die er nicht auswechselte, wurde der Coach wieder zum kraftstrotzenden Genie. England, ein wunderbares Schauspiel. Guenter.Klein@ovb.net