„Deutschland gefällt mir besser als Spanien“

von Redaktion

Experte Erik Meijer liebt das Tempo im DFB-Spiel – und bewertet die Taktik-Auffälligkeiten der EURO

„Der macht 30 Meter gut“: Meijer über Raum. © IMAGO

München – Die spielstärksten Mannschaften der EURO? Da muss Erik Meijer nicht lange überlegen. „Deutschland und Spanien haben bis jetzt den attraktivsten und besten Fußball gespielt“, sagt der Taktik-Experte von „Sky“ und spricht aus, was sich alle denken: „Schade, dass sie jetzt schon gegeneinander spielen müssen.“ Allerdings bedauert der 52-Jährige die Konstellation, die das Viertelfinale am Freitag (18 Uhr) bietet, nicht aus deutscher Sicht. Denn Meijer „gefällt der deutsche Fußball besser als der spanische“. Während der Ball bei den Spaniern „noch oft hin und her gespielt wird, ohne vorwärts zu kommen“, geht die DFB-Elf gerne Tempo. Ex-Stürmer Meijer: „Da sehe ich doch lieber einen David Raum, der sich denkt: Ich schnapp mir das Ding und mache mal 30 Meter.“ Auch im direkten Duell könnte das ein probates Mittel sein, sagt Meijer, der in unserer Zeitung die Taktik-Trends der EM unter die Lupe nimmt.

Größte taktische Auffälligkeiten: Meijer spricht von einer „Ansammlung dominanter Mannschaften“, trotzdem gebe es bisher „sehr wenige Kontertore“. Das ist für den Experten vor allem auffällig, „weil wir vor ein paar Jahren die Idee hatten, dass das Umschalten der neue Trend ist, blitzschnelle Überraschungen. Das ist für mich wieder weg.“ Dafür sieht er, was nicht zu übersehen ist: „Großgewachsene Stürmer in fast jeder Mannschaft. Auch das ist auffällig.“

Distanzschüsse: Von der EM 2012 bis zur WM 2022 wurde immer weniger aus der Distanz getroffen – heuer sind Distanztore wieder en vogue. 14 Stück waren es in der Vorrunde, das liegt laut Meijer „daran, dass die Defensive immer besser wird und ein Distanzschuss immer einen Versuch wert ist“. Dass der Ball auch oft reingeht, führt Meijer auf „mehr Spieler in der Achse“ zurück: „Da sind dann Jungs, die einen ordentlichen Schuss haben.“

Tore in der Nachspielzeit: Der Rekord stand schon nach der Vorrunde. Zehn Treffer in der Nachspielzeit hat es binnen eines Turniers noch nie gegeben. Für Meijer aber ist es kein Zufall. „Das hat man ja auch schon bei Leverkusen in der Bundesliga gesehen. Manchmal braucht es etwas länger, bis man den Gegner so weit zurechtgelegt hat, dass er irgendwo ein, zwei Schritte nicht macht.“ Weil die kleineren Länder „das Verteidigen gelernt haben und taktisch gut stehen“, muss man als „dominante Mannschaft Geduld haben. Manchmal bis zur 96. Minute – wie Jude Bellingham.“

Torarmes Turnier: Nur 81 Tore fielen in den 36 Vorrundenspielen, damit im Schnitt 2,25 pro Partie. Das ist deutlich weniger als 2021 (2,78). Vor allem ein Resultat der immer besser ausgebildeten Trainer: „Sie können ihren Mannschaften immer bessere Informationen mitgeben, wie man Tore vermeidet. Als Trainer will man ja so lange wie möglich in seinem Stuhl sitzen bleiben“, sagt er und lacht. Eine gute Defensive hilft.

Eigentore: 2021 fielen elf Eigentore, aktuell ist man schon bei neun. Zufall oder Trend? Meijer sagt: „Die Gegner sind immer besser. Und dann kommt das Tempo dazu, das dafür sorgt, dass du auch mal gegen den Ball läufst und nichts mehr machen kannst.“ So wie zum Beispiel Jan Vertonghen bei Belgiens Niederlage gegen Frankreich.

Standards: „Jedes Team hat inzwischen einen Experten“, sagt Meijer. Allerdings fügt er mit einem Schmunzeln hinzu: „Ich habe bei den Deutschen schon 25 Ecken gesehen – und kein Tor. Es gibt also da noch Luft nach oben.“ HANNA RAIF

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