Wer explodiert als nächstes?

von Redaktion

Warten auf den Turniermoment: Manche hatten ihn, andere hoffen noch

Der Kopfball, der das Drängen gegen die Schweiz belohnte: Niclas Füllkrug (Mitte) mit dem erlösendsten Treffer. © dpa

Der Dosenöffner gegen Dänemark: Kai Havertz jubelt nach seinem Elfmetertor mit David Raum. © Thissen / dpa

Ihm gelang das erste Tor im Turnier: Florian Wirtz. Kommt noch mehr von ihm? © Stefan Matzke / sampics

Herzogenaurach – Für David Raum läuft es super bei der EM. Dem Leipziger Verteidiger hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann klargemacht, dass er auf der linken Abwehrseite erst mal nicht spielen würde und dort der Stuttgarter Maxi Mittelstädt die Nummer eins sei. Raum musste sich zweieinhalb Spiele lang gedulden: „Ich habe mit den Hufen gescharrt.“ Dann gelang ihm mit seiner Flanke auf Niclas Füllkrug die Einleitung des Ausgleichs zum 1:1. Das alles in letzter Minute, sehr dramatisch. „Und das“, sagt Raum, „war mein Turniermoment. Ich würde ihn auch jedem anderen gönnen.“

Turniermomente brennen sich in die Fußballgeschichte ein. Finaltore gehören dazu, Tore, die ein Ausscheiden abwenden, Tore, die ein Stadion anzünden und dem Team den Anstoß geben für mehr als das, was bislang war. Ein Turniermoment kann auch eine individuelle Geschichte beeinflussen – weswegen alle immer wieder auf Leroy Sané blicken, der zum dritten Mal bei einer EM dabei ist, auch eine WM gespielt, aber noch kein Tor geschossen hat. Im Achtelfinale gegen Dänemark war er ganz kurz davor, sich von seinem Trauma zu lösen. Er zirkelte den Ball aus bester Strafraumposition an der falschen Seite des Pfostens vorbei und schlug die Hände vors Gesicht.

„Es steht noch nicht fest, ob ich gegen Spanien von Anfang an spielen werde“, blickt er voraus aufs Viertelfinale am Freitag (18 Uhr) in Stuttgart. Falls ja – erlebt die Nation den besonderen Moment, auf den sie bei dem Hochbegabten unablässig wartet? „Ich hoffe, dass es noch passiert“, sagt Sané, „am besten im nächsten Spiel. Das würde uns helfen.“ Damit es auch ein übernächstes gibt, das EM-Halbfinale nächsten Dienstag in München.

Wer außer David Raum hatte 2024 schon seinen Turniermoment? Es gibt einige Spieler: Florian Wirtz schoss das 1:0 gegen Schottland, ein Eröffnungstor, das man sich merken wird wie das von Philipp Lahm 2006 gegen Costa Rica. Emre Can rutschte als Nachnominierter aus dem Urlaub in den Kader, wurde nach einem Training eingewechselt und war Torschütze beim 5:1 im Auftaktmatch; zwei weitere Male durfte er bislang noch mitwirken. Dass Niclas Füllkrug als Joker funktionierte, war wichtig gegen die Schweiz, als er zum 1:1 einköpfte. Bei Ilkay Gündogan war das 2:0 gegen Ungarn eine Aneinanderreihung bester Momente in seiner Nationalspielerkarriere.

Es gab kleinere Momente, die wichtig waren. Manuel Neuer holte im zweiten Spiel einen Freistoß des Ungarn Szoboszlai aus dem Eck, das brachte das die Torwartdiskussion führende kritische Publikum auf seine Seite. Deniz Undav und Chris Führich, die Stuttgarter, wurden in ihrem Heimspiel eingewechselt, das krönte die Saison, die sie überraschend in den EM-Kader gepült hatte. Waldemar Anton durfte sich in Dortmund für ein paar Minuten seinem künftigen Publikum zeigen. Auch Maxi Beier und Benjamin Henrichs bekamen im Turnierverlauf ihre Minuten, von den Feldspielern ist nun nur noch Robin Koch ohne dieses Erlebnis von etwas Glück.

Doch was ist mit Thomas Müller? War seine Einwechslung im ersten Spiel in München schon „der Turniermoment“? Seitdem macht Nagelsmann keine Anstalten mehr, auf den 34-Jährigen zurückzugreifen. Sein letztes Turniertor: 2014. Treffer bei EMs von 2012 bis heute: null. Gegen Spanien ein Tor von Joker Müller wäre purer Kitsch. Aber ein Moment. GÜNTER KLEIN

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