Cavendish freut sich mit seine Frau und den Kindern.
Der Moment, als Mark Cavendish zum Tour-Rekordsieger wurde – der Brite gewann die 5. Etappe im Sprint. © Cole/DPA, Samson/afp
Saint-Vulbas – Mark Cavendish schrie seine schiere Freude hinaus, fiel mit Tränen in den Augen seiner Frau Peta und den Kindern in die Arme – und sämtliche Konkurrenten zollten dem alleinigen Rekordsieger der Tour de France Respekt: Der 39 Jahre alte Brite hat mit seinem 35. Etappenerfolg bei der Tour de France den legendären Eddy Merckx überflügelt und ist beim wichtigsten Rennen der Welt nun selbst zur Legende geworden.
„Das ist unglaublich, ein Traum ist wahr geworden. Ein großer Moment“, sagte Cavendish, nachdem er beim Massensprint der fünften Etappe in Saint-Vulbas souverän triumphiert hatte. Dabei war er am Samstag fast schon raus aus der Tour gewesen, nachdem er sich in der Hitze Italiens leidend nur knapp im Zeitlimit ins Ziel gequält hatte: „Da habe ich mich wirklich elend gefühlt.“
Schon im Vorjahr hatte Cavendish den Rekord knacken wollen, war aber nach einen Sturz mit gebrochener Schulter ausgeschieden – und verschob sein Karriereende um ein Jahr. Nun gab es das große Happyend, nach dem „Cav“ dem Eritreer Biniam Girmay innig umarmte: Der nämlich hatte ebenfalls Geschichte geschrieben und zwei Tage nach seinem ersten Etappensieg als erster schwarzer Afrikaner auch das Grüne Trikot übernommen.
Am Mittwoch war „Cav“ klar der schnellste Sprinter, setzte sich deutlich vor dem Belgier Jasper Philipsen durch, der im Vorjahr mit vier Etappensiegen und dem Grünen Trikot überragt hatte. Dritter wurde der Norweger Alexander Kristoff. Dem deutschen Sprinter Pascal Ackermann, der auf der Zielgeraden geführt hatte, ging die Luft aus, er wurde Sechster. „Ich war ganz gut dabei, aber dann kam der Gegenwind durch“, sagte der 30-Jährige.
Am Tag nach der Schinderei am Galibier ließen es die Favoriten erwartet locker angehen. Der slowenische Spitzenreiter Tadej Pogacar, der die erste Alpen-Etappe gewonnen hatte, verteidigte das Gelbe Trikot ohne große Mühe, hat weiter 45 Sekunden Vorsprung auf den Belgier Remco Evenepoel. Allerdings hatte Pogacar rund 60 km vor dem Ziel einen Schreckmoment zu überstehen, als er mitten im Peloton wohl nach einer Unaufmerksamkeit einer Verkehrsinsel nur knapp ausweichen konnte und mit einem waghalsigen wie gekonnten Manöver auf dem Rad blieb.
Bei der Analyse seines Gipfelsturms am Col du Galibier schwärmte Pogacar zuvor von seinem Team – und hatte dabei auch den deutschen Radprofi Nils Politt im Kopf. „Von Briancon bis zum Gipfel des Galibier herrschte wirklich starker Gegenwind.“ Sein Team UAE Emirates habe unter diesen schweren Bedingungen mit der mutigen Fahrt vorne gezeigt, „dass wir hier eine der stärksten Mannschaften haben. So zu fahren, ist verrückt. Wir müssen so weitermachen“, sagte der zweimalige Tour-Sieger.
Für die französische Sportzeitung „L‘Equipe“ ist nun bereits klar, dass der slowenische Star die Tour in diesem Jahr dominieren wird. „Die wahre Machtübernahme“, titelte das Blatt. Pogacar habe quasi „den Baseball-Schläger gezückt, um die Rechnung zu begleichen“. Nach einer weiteren Flachetappe am Donnerstag steht für die Favoriten erst beim Einzelzeitfahren am Freitag wieder ein neuralgischer Abschnitt an.Dann könnte Evenepoel, der Weltmeister in dieser Disziplin, den Gesamtführenden Pogacar attackieren – mit der Ruhe des Mittwochs ist es dann vorbei.
SID, DPA