Trainer in verschiedenen Welten

von Redaktion

Während Yakin die Schweiz plötzlich begeistert, steht Southgate in England am Pranger: „Elendig schlecht“

Held der Nation: Schweiz-Coach Yakin wird gefeiert. © IMAGO

Letzte Selfies? Für Southgate dürfte nach dem Turnier Schluss sein – wohl nur der Titelgewinn kann ihn retten. © IMAGO

Düsseldorf – Murat Yakin kann nachfühlen, wie es seinem Kollegen Gareth Southgate geht. Die Kritik, die der Schweizer Fußball-Nationaltrainer im vergangenen Jahr einstecken musste, war zwar nicht ganz so heftig wie jene, die aktuell auf den Coach der Three Lions einprasselt. Und doch kenne er diese Situation, sagte Yakin vor dem EM-Viertelfinale an diesem Samstag (18 Uhr/ZDF und MagentaTV) in Düsseldorf.

Das Duell zwischen der Schweiz und England ist auch das zweier hoch spannender Trainer. Yakin reitet bei diesem Turnier bislang eine Welle des Erfolgs, Southgate hingegen steht das Wasser gefühlt bis zum Hals..

„Das ist schön zu hören“, sagte Yakin über all die Lobeshymnen, die zuletzt auf seine Schweizer angestimmt wurden. Ein Stück weit dürfe man das auch genießen und stolz darauf sein. „Das haben wir uns durch harte Arbeit verdient“, stellte der 49-Jährige fest. Und dennoch verliert der Coach der „Nati“ den Blick aufs Wesentliche nicht.

Schlagen die Eidgenossen nach ihrer guten Gruppenphase und dem überzeugenden 2:0 im Achtelfinale gegen Italien nun auch noch die Engländer, stehen sie erstmals in einem EM-Halbfinale. Es ist eine historische Chance für Yakin. Und schon jetzt scheint festzustehen: Ob er sie nutzt oder nicht – er verlässt dieses Turnier als Gewinner.

Welche Züge sich der passionierte Schachspieler zuletzt auch überlegte – sie gingen auf. Vor wenigen Monaten und nach einer äußerst durchwachsenen EM-Qualifikation in der Heimat noch heftig umstritten, ist der Ex-Bundesliga-Profi plötzlich ein Publikumsliebling. Er sucht die Nähe zu den Fans, manchmal auch direkt vor dem Spiel. Er intensivierte das nicht immer so enge Verhältnis zu wichtigen Spielern. Kapitän Granit Xhaka von Bayer Leverkusen oder Abwehrchef Manuel Akanji von Manchester City beispielsweise besuchte er vor der EM.

Yakin überzeugt bei dieser EM taktisch und rhetorisch. Das war nicht immer so. Im Frühjahr schien sein Kredit bei vielen Fans der Eidgenossen aufgebraucht, dennoch bot ihm der Verband eine Verlängerung seines nach dem Turnier auslaufenden Vertrags an. Der Coach winkte ab, wollte sich erst neu beweisen. Womöglich war auch das ein cleverer Zug von ihm, denn Argumente – auch für potenzielle andere Jobs – hat er seitdem genug gesammelt.

Ganz anders ist die Lage bei Southgate. Bereits zum vierten Mal in Serie führte er England bei einem großen Turnier nun schon ins Viertelfinale. Die Ergebnisse sprechen für den 53-Jährigen, der vor allem bei der EM vor drei Jahren ganz nah dran war am Pokal. Doch die Kritik an ihm in der Öffentlichkeit und unter den Experten nahm zuletzt immer mehr zu.

„Wir waren elendig schlecht und zwar in allen vier Spielen“, ätzte Ex-Nationalspieler Gary Neville, nachdem sich die Engländer durch die Vorrunde gequält hatten und im Achtelfinale gegen den krassen Außenseiter Slowakei (2:1 nach Verlängerung) nur knapp der ganz großen Blamage entgangen waren.

Die zentralen Vorwürfe an Southgate: Er lässt zu destruktiv spielen, zu mutlos. Seine Wechsel sind nicht nachvollziehbar. Aus dem gerade in der Offensive mit zahlreichen Hochkarätern gespickten Kader holt er zu wenig heraus.

Die Angst der Engländer, trotz ihres herausragenden Potenzials wie bei allen Turnieren seit dem Gewinn der WM 1966 auch diesmal wieder leer auszugehen, ist allgegenwärtig. Aus der Mannschaft selbst kommen bislang keine kritischen Worte Richtung Southgate. Dennoch stehen die Zeichen auf Trennung. Auch Southgates Vertrag endet dieses Jahr. Anders als Yakin hat er nur eine Chance, noch als Gewinner aus dem Turnier hervorzugehen: mit dem Titel.
DPA

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