Ein letztes Selfie: Ein Flitzer mit Mbappé. © IMAGO
Viel zu tun hatte Cucurella (hier gegen Kolo Muani), der bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen wurde. © IMAGO/Spada/LaPresse
Traumtreffer ins Glück: Lamine Yamal gelang sein erstes Turniertor – der schnelle Ausgleich. © IMAGO
München – Die Frage, ob der Fußball oder Pragmatismus gewinnt, beantwortete Dani Olmo in der 25. Minute des ersten EURO-Halbfinals: Mit seinem strammen Schuss, den Joules Koundé ins eigene Tor abfälschte, versetzte der Leipziger allen französischen Titel-Hoffnungen einen Stich ins Herz. Die Führung durch Randal Kolo Muani (9.) war in diesem letzten Spiel in München schon nach einem Traumschuss von Wunder-Bubi Lamine Yamal (21.) dahin gewesen. Und am Ende stand fest: Spanien schlägt wieder zurück, steht im Finale – und träumt vom ersten EM-Titel seit 2012.
Was die Fans von der Besetzung des Halbfinals hielten, zeigten sie ab der ersten Minute. Bei jedem Ballkontakt wurde Marc Cucurella ausgepfiffen, eine Retourkutsche für das vermeintliche Handspiel gegen Deutschland. Aber auch Spanien war gut anzusehen, also: Der Favorit drückte bei diesem Halbfinale in der Münchner Allianz Arena, in der auch Uli Hoeneß und Bayerns Sportdirektor Christoph Freund auf der Tribüne saßen, bereits in der Anfangsphase und hatte schon nach fünf Minuten die erste Riesenchance auf den Führungstreffer. Der bisher im Turnier so überragend spielende Fabian vergab jedoch freistehend per Kopf. Das Team von Trainer Didier Dechamps konterte fast im Gegenzug. Ein Pass auf die linke Seite genügte, um Superstar Kylian Mbappé in Szene zu setzen, der an diesem Halbfinalabend erstmals ohne Maske auflief. Ein Wackler, eine Flanke auf Randal Kolo Muani: der Führungstreffer des Ex-Frankfurters per Kopfball (8.) fiel ohne große französische Anstrengungen.
Doch wer nun darauf wartete, dass sich eine zähe Defensivschlacht entwickelt, wurde getäuscht. „Wir werden versuchen, unseren Stärken treu zu bleiben“, kündigte Spaniens Coach Luis de la Fuente schon vor der Partie an, auch im Falle eines Rückstandes nicht von ihrem Ballbesitzspiel abzuweichen. Und so setzten die Iberer auf ihre größte Stärke in diesem Turnier: Die Youngster Nico Williams (21) und Lamine Yamal (16) wurden immer wieder freigespielt, Letzterer sorgte für einen der schönsten Treffer in diesem Turnier: Aus knapp 25 Metern traf das Supertalent links oben in den Knick, Frankreich Torwart Mike Maignan war machtlos (21.).
Die Spanier blieben die dominante Mannschaft, immer wieder schob Linksverteidiger Marc Cucurella hoch an und ließ sich auch von den Pfiffen nicht beirren. Es dauerte nicht lange, bis Spanien nachlegte. Das Tor durch Olmo zum 2:1 brachte Frankreich dabei nicht nur in Rückstand, sondern zwang Mbappe und Co., die zuvor noch kein einziges Mal in Rückstand lagen, außerdem dazu, von ihrer bisherigen Defensiv-Taktik abzuweichen.
Dechamps sagte noch am Tag vor dem Spiel, Kritik an der ermüdenden Spielweise sei ihm „relativ egal“. In der ungewohnten Rolle fand er nun kaum Lösungen, um dem dominanten Ballbesitzspiel der Iberer etwas entgegenzusetzen. Eine Kopfballchance für Koundé nach einer Ecke (53.), ein Abschluss von Mbappé aufs kurze Eck (56.) – das waren die einzigen und wenig gefährlichen Chancen der Franzosen.
Spanien dagegen nutzte die mehr werdenden Freiräume und ließ den Ball sicher in den eigenen Reihen laufen. Die zwischenzeitlich fast 65 Prozent Ballbesitz sorgten vor allem dafür, dass Frankreich in zwei Dritteln der Zeit schlicht keine Möglichkeit hatte, zu Torabschlüssen zu kommen. In der Schlussphase verteidigten die Iberer leidenschaftlich. Einige Mal noch kam Frankreich nach vorne, dann jubelte Spanien. Nun warten England oder die Niederlande am Sonntag, im Endspiel von Berlin.
V. TSCHIRPKE, H. RAIF