ZUM TAGE

Keine Verlängerung? England im Glück

von Redaktion

Bis vor ein paar Jahren, oder Wochen?, hätte jeder Beitrag dieser Art mit dem sicheren Stichwort England begonnen. Wenn ein Trainer wie Luis de la Fuente vorschlägt, die Verlängerung bei großen Turnieren abzuschaffen oder aber erst zum Halbfinale einzuführen, geht der Blick freilich auf diejenigen, die mit dem Elfmeterschießen ein besonderes Thema haben. Die „Three Lions“ hatten bis zur EM 2018 bekanntlich exakt 22 Jahre kein K.o.-Spiel mehr vom Punkt aus für sich entscheiden können – aber der „running gag“ ist spätestens seit vergangenem Samstag tot. In England zittert niemand mehr, wenn 120 Minuten ohne Sieger gespielt sind. Im Gegenteil.

Als „nahezu perfektes Elfmeterschießen“ bezeichnete Sportpsychologe Geir Jordet den Auftritt, der der Schweiz im Viertelfinale ausgeknockt hat. Fünf Schützen, fünf sichere Dinger – oder übersetzt: das Resultat einer sogenannten „Elfmeter-Taskforce“, die das englische Trauma besiegt hat. Nach fünf erfolglosen Elfmeterschießen seit 1996 hat man unter dem umstrittenen Gareth Southgate drei von vier gewonnen. Halbfinalgegner Holland kommt am Mittwoch weniger erfolgreich daher. Zwei der letzten vier gingen verloren – droht ein neues Trauma?!

Es geht im Fußball und bei großen Turnieren viel und oft um die psychologische Komponente. Fußball ist auch Kopfsache, sagt man gerne, und das gilt nur verstärkt, wenn ein Individuum über Sieg oder Pleite entscheidet. So wäre es in Zukunft öfter der Fall, wenn der Vorstoß, den der spanische Coach vor dem Start der Vorschlussrunde zur Diskussion gestellt hat, Gehör findet. Mindestens bis zum Viertelfinale würde dann ab 2028 ohne Verlängerung, dafür bei Gleichstand nach 90 Minuten direkt mit Elfmeterschießen gespielt. Wie das gelingen kann, ist aktuell bei der Copa America zu sehen, wo drei von vier Viertelfinals ihren Sieger vom Punkt ermittelten. Bricht man es auf die laufende EURO herunter, wären zwei Achtelfinals und drei Viertelfinals direkt ins Elfmeterschießen gegangen. Und womöglich wäre auch dieses spanische 2:1 nie gefallen, aber das ist eine andere Sache…

Es mag gewöhnungsbedürftig klingen – Tenor: „Es war schon immer anders“ –, aber das Gedankenspiel hat Positives. Kampfgeist bis zur letzten Minute und weniger Taktieren wären das eine, spritzige, weniger überspielte Profis das andere. In einer Fußball-Welt, in der ab sofort auch noch in der Champions League mehr gespielt und eine Club-WM zum Mega-Event wird, darf es auch mal um die Körper der Hauptakteure gehen. Weniger Krämpfe, mehr Tempo – und obendrein könnten auch die kleinsten Fans noch wach sein, wenn England das nächste Elfmeterschießen gewinnt. „Win-Win“ sozusagen. Hanna.Raif@ovb.net

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