Daumen hoch: Auch Deschamps zeigte de la Fuente seine Anerkennung. 90 Minuten später war Frankreich raus. © IMAGO
München – Es war ein durchaus cleverer Schachzug vom SV Aasen, dem spanischen Nationaltrainer ein Geburtstagsgeschenk zu übergeben, mit dem man eigentlich nichts verkehrt machen kann. Eine sogenannte „Männer-Handtasche“ hat Luis de la Fuente am 21. Juni auf dem EURO-Trainingsgelände seines Teams in Baden-Württemberg bekommen, das heißt: sechs Flaschen Bier in einem praktischen Träger aus Pappe. Das Besondere: Die Gastgeber haben jedes einzelne Getränk beschriftet. Mit dem ersten durfte de la Fuente auf sich selbst anstoßen, das zweite nach dem Gruppensieg trinken, das dritte nach dem Achtelfinale, das vierte nach dem Viertelfinale – und das nächste war in der Nacht auf diesen Mittwoch dran. Halbfinale gewonnen, eine Pulle ist noch übrig für den Finaltag der EURO am Sonntag. Es bietet sich an, die höchsten Ziele zu stecken, wenn de la Fuente an der Seitenlinie steht.
Der Mann, der nach dem unrühmlichen Achtelfinal-Aus Spaniens bei der WM in Katar eigentlich als Verlegenheits-Lösung übernahm, ist inzwischen daheim nicht nur akzeptiert, sondern gar gefeiert – denn er hat dem Nationalteam jenen Stil eingehaucht, der bei der EURO am meisten begeistert. Gegen Frankreich lag sein Team zwar zunächst hinten, schlug aber in Windeseile zurück. Dem Traumtreffer von Lamine Yamal folgte ein Eigentor, das später aber Dani Olmo zugeschrieben wurde. De la Fuente kennt solche Momente, weil er ein echter Turniertrainer ist.
Nach einer durchwachsenen Karriere als Klub-Trainer startete der ehemalige Verteidiger erst durch, als er sich den spanischen U-Nationalteams annahm. Mit der U19 kam er 2013 ins EM-Halbfinale, ehe er 2015 den Titel holte. Mit der U21 feierte er 2019 den EM-Sieg, ehe 2021 im Halbfinale Schluss war. Die Olympiamannschaft führte er in Tokio ebenso ins Finale. Man konnte ahnen, was nun offensichtlich ist: Da weiß einer, wie man eine Auswahl coacht.
De la Fuente sprach schon nach dem gewonnenen Viertelfinale gegen Deutschland von einem „historischen Moment“. Manchmal gilt auch im Fußball das Credo „egal wie“, lieber aber will der manchmal auch knorrige de la Fuente „seinen“ Stil spielen lassen. Deutlich geradliniger und zielstrebiger als in den vergangenen 15 Jahren kommt die „Furia Roja“ daher, so gelang auch gegen Frankreich trotz frühem Schock die Wende. Wenn man denkt wie der Coach – als ob „jedes Spiel das letzte wäre“ –, spielt man lieber den Pass nach vorne als den 1000. zur Seite.
Das wissen vor allem Leistungsträger wie Olmo, Fabián Ruiz und Unai Simón, die schon lange mit de la Fuente arbeiten – diverse Siegerbiere inklusive. Das bisher leckerste soll am Sonntag folgen. Es steht schon kalt.
HANNA RAIF, VINZENT TSCHIRPKE