Das Versprechen von „Lamine Final“

von Redaktion

Spaniens Wunderkind überholt sogar Pelé, muss aber „auf dem Boden bleiben“

Ab ins Rampenlicht: Lamine Yamal prägte Spaniens Finaleinzug – und hofft nun auf ein Feierwochenende: Samstag Geburtstag, Sonntag Europameister? © IMAGO

München – Als Lamine Yamal sich nach Mitternacht vom Podium der Münchner Arena erhob, gab es Applaus. Aber ausnahmsweise hatte die Geräuschkulisse nichts mit dem spanischen Wunderkind zu tun. Weil dieses Halbfinale, das Spanien auch aufgrund eines Traumtreffers des nun jüngsten Torschützen der EM-Geschichte mit 2:1 (2:1) gewonnen hatte, die letzte Partie in der EM-Gastgeber-Stadt München war, wurde dem UEFA-Team artig gedankt. Aber es hätte sich nach den Worten, die Luis de la Fuente kurz zuvor gesprochen hatte, ohnehin niemand getraut, Lamine Yamal mit Worten oder eben Gesten noch weiter in den Himmel zu loben.

„Wir haben einen Geniestreich gesehen“, hatte der spanische Trainer gesagt, ehe er schnell die Kurve zu dem Thema kriegte, das ihm am Herzen lag: „Wir müssen uns um ihn kümmern. Ich möchte, dass er weiter demütig bleibt, mit beiden Füßen auf dem Boden.“ Das gelinge allerdings nur, wenn alle mithelfen. „Reif und ehrgeizig“ sei der Junge, der mit 16 Jahren und 362 Tagen seit Dienstag in der Historie der EM einen festen Platz hat, schon jetzt. Bis zu dieser Vorschlussrunde, die Spanien nun vom ersten Titel seit 2012 träumen lässt, hatte der Schweizer Johan Vonlanthen die Liste der jüngsten Torschützen angeführt. Mit 18 Jahren und 141 Tagen wohlgemerkt.

Schon auf dem Weg ins Halbfinale war Yamal zum mit Abstand interessantesten Spieler dieser EURO avanciert. Zusätzlich zu den drei Assists ist nun auch ein Treffer notiert – „Mundo Deportivo“ titelte „Lamine Final“. Dass der Barca-Bubi seinen Schuss aus rund 20 Metern als den bisher „bedeutendsten“ seiner Karriere bezeichnete, war kein Wunder. Trotzdem war er bemüht, die Rolle als „Aushängeschild“ nicht an sich heranzulassen. „Das hilft nichts, ich muss meinem Team helfen – das habe ich heute versucht.“ Der Ausgleich in der 21. Minute egalisierte den Treffer von Randal Kolo Muani (9.) und ebnete den Weg zum Sieg, den der ebenso bestechende Dani Olmo vier Minuten später perfekt machte. „Ein Traum wird wahr“, sagte Yamal – und sprach auch für seine Mutter.

Während sein eigener Plan, seinen 17. Geburtstag am Samstag in Deutschland zu feiern, vollends aufgegangen ist, kann auch Mama Sheila sich nun entspannt zurücklehnen. Denn der Sohnemann hat ihr schon gesagt, „dass sie mir nichts schenken muss. Das Finale zu gewinnen, wäre Geschenk genug.“ Als erste Nation könnte sich Spanien am Sonntag zum vierten Mal zum Europameister krönen, der letzte Titel liegt zwölf Jahre zurück. Die Krisenzeit dazwischen ist im Nu vergessen, wenn man nun Yamal zaubern sieht. Längst werden Vergleiche zu Lionel Messi gezogen. Yamal bleibt da allerdings cool: „Es wird keinen anderen Fußballer wie Leo Messi geben.“ Was man aber nicht leugnen kann: dass er ein Versprechen an die Zukunft ist. Und an die Gegenwart!

Auch im Verband hat man registriert, dass der Aufstieg der Haupt-Attraktion kometenhaft verläuft. Daher suchen die Verantwortlichen nach eine Mischung aus Nationalspieler-Crashkurs und Welpenschutz. Er hat in den letzten Wochen diverse Interviews gegeben, er darf, er soll sprechen. Aber de la Fuente sagt auch ganz bewusst: „Ich darf mich glücklich schätzen, 26 Fußball-Genies anleiten zu dürfen.“ Vertrauen hat der 63-Jährige ins „Kollektiv. Sie arbeiten zusammen, jeder für den anderen.“ Und wenn dann halt einer dabei ist, der mit einem einzigen Schuss alles ändern kann, ist das natürlich Gold wert.

Der nächste davon soll am Sonntag folgen. Am Finaltag ist Yamal 17 Jahre und einen Tag alt. Also immer noch 238 Tage jünger, als Pelé bei seinem ersten WM-Tor im Jahr 1958. Aber dafür bitte keinen Sonderapplaus!
H. RAIF, V. TSCHIRPKE

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