KOMMENTAR

Thomas Müller – ein historischer Glücksfall

von Redaktion

Es ist keine Überraschung und vernünftig, dass Thomas Müller das Kapitel Nationalmannschaft schließt. Er hatte nach seiner ersten Weltmeisterschafts-Teilnahme, 2010 war das, gesagt, dass sich 2022 vom Alter her ausgehen könnte. Damals war die WM `22 gerade an Katar vergeben worden, die Welt staunte über diese Entscheidung, die ersten Diskussionen drehten sich um die geringe Größe des Wüstenstaats, das extreme Klima und noch gar nicht um die Menschenrechtssituation. So lange ist dieser Thomas Müller dabei – und mit der EM 2024 hat er seine Zeit beim DFB über die Planung hinaus ausgedehnt. Doch so folgerichtig nun sein Rücktritt mit 34 erscheint, so muss man doch innehalten, sich verbeugen vor diesem epochalen Karrierewerk mit Weltmeistertitel, Best Young Player und WM-Torschützenkönig. Und man darf sich ein wenig Wehmut gestatten, weil einer geht, der immer da (und auch während seiner Zwangspause irgendwie präsent) war.

Was bleibt? So vieles. Der 20-Jährige, der bei der WM 2010 nach dem Achtelfinal-Sieg gegen England im Fernsehen Oma und Opa grüßt. Ein paar Tage später sein storchenbeiniger Jubellauf nach dem frühen 1:0 gegen Argentinien (Endstand 4:0). 2014 das Spiel mit drei Toren zum Auftakt gegen Portugal, obwohl der grimmige Pepe ihn bearbeitete. Vom späten Werk in der Nationalmannschaft verewigen sich Szenen des vergeblichen Bemühens in der Erinnerung: die vergebene Ausgleichschance bei der EM 2021 in Wembley, zuletzt die Einwechslung vor ein paar Tagen gegen Spanien. Das kitschige Happy-End, doch noch zu einem Tor bei der Europameisterschaft zu kommen, blieb ihm in diesem Viertelfinale verwehrt. Doch man konnte in Stuttgart im Stadion noch einmal spüren, dass etwas passierte, als Müller das Feld betrat.

131 Länderspiele, vierzehn Jahre – Thomas Müller war immer eine positive Erscheinung. In Krisen des DFB-Teams das Gesicht des Aufbruchs, im persönlichen Tief zielstrebig. Nach seiner Aussortierung 2019 hätte er Joachim Löw einiges entgegenschleudern können, er sagte ohne Grimm „Das war‘s noch nicht“, arbeitete, kehrte zurück, ohne Gewese um Befindlichkeiten. Ein Pragmatiker, der aus Lust am Spiel und am Wettkampf zuletzt auch die kleinere Rolle annahm. Einer, der Mannschaften vereinte, Mitspieler unterstützte. Ein Typ ohne Flausen, ein Glücksfall.

Guenter.Klein@ovb.net

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