OLYMPIA

Die Pariser Kloake

von Redaktion

Die Freiwasser-Bewerbe sollen in der Seine stattfinden – aber ist sie sauber genug?

Der Beweis: Wir sind drin und wir haben es überlebt. © dpa (2)

Die Seine wird am 26. Juli Schauplatz der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris sein – zumindest ist so der Plan. © Camus/dpa

Wird schon: Amelie Oudea-Castera, französische Ministerin für Sport und der Goldmedaillengewinner der Paralympics 2020, Alexis Hanquinquant, vor dem Schwimmen in der Seine.

Paris – Wer traut sich zuerst in die „Kloake“? Vollmundige Ankündigungen gab es zur Genüge, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wollte und will es noch immer tun, die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo sowieso. Am vergangenen Samstagmorgen aber war es Frankreichs Sportministerin Amelie Oueda-Castera, die den Anfang machte und sich in Neoprenanzug und Badekappe in die Seine wagte. Wie mutig!

Immerhin war die Politikerin da in einen Fluss gestiegen, in dem bald Olympia-Wettbewerbe stattfinden sollen – der aber vor nicht mal einem Monat von Behörden als Gesundheitsrisiko identifiziert wurde. 1,4 Milliarden Euro hat Frankreich bislang investiert, um die Seine endlich sauber zu bekommen. Doch die Werte von E.Coli-Bakterien – ein Schlüsselindikator für Fäkalien – blieben gemessen an den Vorgaben der Sportverbände lange zu hoch. Vor lauter Ärger, dass das Geld in den Fluss statt soziale Themen gesteckt wurde, starteten die Pariser Stadtbewohner vor Wochen einen Aufruf unter dem Hashtag: #IchKackInDieSeine.

Bei der Eröffnungsfeier der Spiele (26. Juli bis 11. August) werden etwa 100 Boote mit Athletinnen und Athleten den Fluss hinunterfahren, so der Plan. Zudem sollen die Wettbewerbe im Freiwasserschwimmen und das Schwimmen im Triathlon in der Seine stattfinden. Zweifel daran, ob das eine gute Idee ist, schwelen seit Monaten – zumal sich die Organisatoren einem Alternativplan bislang strikt verweigerten. „Es ist schwierig, wenn sie keinen Plan B haben, gerade wenn die Wasserqualität so schlecht ist, dass man die Gesundheit der Athleten riskiert“, sagte die deutsche Freiwasserschwimmerin und Medaillenkandidatin Leonie Beck Anfang Juni.

„Ich denke, dass der mediale Druck jetzt auch zunimmt, weil die Leute sagen, die Seine ist die Toilette von Paris“, bekräftigte die 27-Jährige. Die Toilette von Paris! Das Narrativ hat sich längst verbreitet, Politik und Veranstalter paddeln verzweifelt hinterher. Öffentlichkeitswirksame Schwimmversuche in der Seine mussten verschoben werden.

„Wir haben gesagt, dass wir bereit sein würden“, sagte Sportministerin Oueda-Castera nun, nachdem es mit ihrem Bad im Fluss geklappt hat, „und das sind wir auch.“ Bürgermeisterin Hidalgo will nachziehen und am Mittwoch in der Seine schwimmen – wenn die Wasserqualität das zulässt. Der Trend der letzten Qualitätskontrollen immerhin war positiv. Ende vergangener Woche teilte ein Sprecher des Pariser Rathauses mit, der Fluss sei an „elf oder zehn“ der vergangenen zwölf Tage sauber genug gewesen, um dort Schwimmwettbewerbe auszutragen.

Ab 2025 soll die Seine nicht nur olympische Wettkämpfe, sondern auch privates Plantschvergnügen für die Pariser Bürger ermöglichen. Vor rund hundert Jahren war eben das verboten worden. Im Rahmen der Milliarden-Investition werden nun unter anderem 23.000 Wohnungen an die Kanalisation angeschlossen, deren Abwässer bislang ungereinigt in die Seine geleitet wurden.

Und wenn die Wasserqualität während Olympia noch nicht ausreicht? Dann erwägen die Veranstalter, die betroffenen Wettkämpfe jeweils um ein paar Tage zu verschieben. „Wir machen uns keine Sorgen um die Durchführung der Wettbewerbe“, sagte Pierre Rabadan, Sportberater des Pariser Stadtrats, kürzlich dem Radio France Internationale: „Sie werden stattfinden.“ Er setzt darauf, dass die Seine in wenigen Tagen sauber ist.
SID

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