Servus? Tuchel soll am Job interessiert sein. © IMAGO
Bye Bye: Southgate macht nach acht Jahren Platz. © IMAGO
München – Gerüchte um Thomas Tuchel als möglichen Nachfolger gab es bereits am Dienstag in der Früh. Der Knall folgte dann am Mittag: Gareth Southgate hat zwei Tage nach der Pleite im EM-Final gegen Spanien (1:2) seinen Rücktritt als englischer Nationaltrainer erklärt. Die Abschiedsworte des 53-Jährigen lasen sich in der Verbandsmitteilung wie folgt: „Als stolzer Engländer war es die Ehre meines Lebens, für England zu spielen und England zu trainieren. Aber es ist Zeit für Veränderung und ein neues Kapitel. Das Finale am Sonntag in Berlin gegen Spanien war mein letztes Spiel als England-Trainer.“ Nach acht Jahren, zwei EM-Finals und einem WM-Halbfinale soll ab sofort ein anderer Mann an der Seitenlinie versuchen, den auf mindestens 60 Jahre verlängerten Titelfluch der „Three Lions“ zu besiegen. Nun ja: Good luck!
Southgate hatte sich nach dem bitteren Final-K.o. noch Bedenkzeit erbeten, nun aber gehandelt. Obwohl der englische Verband FA unabhängig vom Ausgang des Endspiels signalisiert hatte, mit dem früheren Verteidiger bis zur WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada weiterarbeiten zu wollen, zog er nun selbst die Reißleine. Sicher auch eine Konsequenz der harschen Kritik, die ihn im Laufe des Turniers begleitet hatte. Die Fans warfen Becher nach dem Trainer, die heimischen Experten und Medien übten anfangs heftige Kritik – ein Stimmungsumschwung kam erst nach dem überzeugenden 2:1 im Halbfinale gegen die Niederlande. Wohl zu spät, um Southgate vom Bleiben zu überzeugen. Seine Bilanz las sich gut: Nur Weltmeister-Trainer Alf Ramsey war erfolgreicher. Trotzdem ist Schluss – und geht ab jetzt um einen passenden Nachfolger.
Als Kandidaten gelten Eddie Howe von Newcastle United, der ehemalige Chelsea-Trainer Graham Potter sowie der frühere Weltklassespieler Frank Lampard. Auch der Argentinier Mauricio Pochettino wurde schon mehrfach genannt, dazu Jürgen Klopp trotz des angedachten Sabbatjahres – und eben Tuchel. Wie die Boulevardzeitung „Sun“ berichtet, soll der beim FC Bayern zu Saisonende ausgeschiedene Coach sein Interesse bekundet haben, den Posten von Southgate zu übernehmen. Schon 2022, so heißt es, habe sich Tuchel beim englischen Verband angeboten. Nun könnte die Personalie wieder Fahrt aufnehmen.
Aktuell wird Tuchel noch vom FC Bayern bezahlt, obwohl er seit 1. Juli freigestellt ist. Dass die Insel ihn reizt, ist allerdings kein Geheimnis. Schon vor dem Beschluss des deutschen Rekordmeisters, sich zum Saisonende zu trennen, sagte er in einem Interview: „Ich spüre dort mehr Wertschätzung.“ Mit Chelsea gewann der 51-Jährige bekanntlich 2021 die Champions League, man kennt, mag, schätzt ihn. Als erster deutsches Trainer an der Seitenlinie der „Three Lions“ könnte er die reizvolle Aufgabe angehen, die englische Titel-Seuche bei der WM 2026 endlich zu beenden. Sicher ist: Wer das schafft, hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern.
Die Aufgabe ist ohne Frage reizvoll, auch wenn Tuchel sein Leben zwischen zwei Jobs aktuell genießt. Nicht wie vor einem Jahr, als er auf dem Trainingsplatz in Rottach-Egern am Tegernsee stand und am Neuanfang des FC Bayern bastelte, sondern in München. Erst neulich wurde er in einem beliebten Café in Bogenhausen gesichtet, in einem interessanten Outfit. Tuchel trug eine FC Bayern-Trainingshose, dazu ein Paris St. Germain-Trainingsshirt. Klamotten von gestern und vorgestern also. Ausgeschlossen ist es nicht, dass er sie über kurz oder lang in die untersten Schubladen verbannt – und ganz oben das englische Trainingsdress liegt.
HANNA RAIF, MANUEL BONKE