Bayern droht Mammut-Saison

von Redaktion

Studie sieht Belastung der Spieler als rückläufig an – bei den Topteams ist das anders

Regeneration notwendig: Joshua Kimmich nach dem DFB-Aus bei der EM. © IMAGO

Vollgas bis zum Schluss: Davies (r.) bei der Copa. © IMAGO

Ein Kampf: Bayern-Star Harry Kane war bei der EM ein Sinnbild für die starke Belastung der Spieler. Im Finale gegen Spanien wurde Englands Kapitän ausgewechselt. © IMAGO

München – Kaum ist die EM vorbei, rollt der Ball wieder auf den Trainingsfeldern der Bundesligisten. Zwar befinden sich die Nationalspieler noch im wohlverdienten Sonderurlaub – auch die Gruppe von Vincent Kompany beim FC Bayern ist noch vergleichsweise klein – und steigen erst im Laufe der kommenden Wochen in die Vorbereitung ein. Trotzdem ist die Ruhezeit für die Körper der Profis in Turnierjahren besonders kurz. Die Belastung wird immer höher, die Debatte über das richtige Pensum parallel immer lauter. Mit Blick auf die EM sagte etwa Gary Lineker dieser Tage der „Sport Bild“: „Die Spieler haben 50, 60 Einsätze in den Beinen. Das ist hart!“ Der Vorwurf der englischen Ikone: „Solche Turniere werden immer länger und enden später im Sommer.“ Werden die Spieler ausgequetscht?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht pauschal zu geben, lässt sich aber grob zusammenfassen in: Die durchschnittlichen nicht, die besten schon. Überraschende Ergebnisse hat eine Studie ergeben, die vergangene Woche vom „International Centre for Sports Studies“ (CIES) veröffentlicht wurde. Sie umfasst Akteure aus 40 der besten Ligen der Welt aus fünf Konföderationen über zwölf Jahre und kommt zu dem Schluss, dass ein Spieler heute im Schnitt weniger Einsatzminuten bekommt als vor zehn Jahren. Von 1634 Minuten in der Saison 2018/2019 hat sich die Spieldauer – auch durch die auf fünf Spieler erweiterte Auswechslungs-Regel im Zuge der Corona-Pandemie – auf 1587 zurückentwickelt. Nur 0,31 Prozent der befragten Spieler haben in allen Wettbewerben zusammen mehr als 60 Spiele bestritten, während 21,5 Prozent an höchstens zehn Spielen teilgenommen haben. Was die Einsatzminuten betrifft, so standen 0,29 Prozent der Spieler mehr als 5000 Minuten auf dem Platz, während 35,8 Prozent weniger als 1000 Minuten spielten. Ist also alles halb so wild?

Kane hat die meisten Minuten gesammelt – und wirkte am Ende überspielt

Ein Blick auf den Kader des FC Bayern spricht eine andere Sprache. Denn von den 35 Akteuren, die der inzwischen freigestellte Trainer Thomas Tuchel in der abgelaufenen Spielzeit einsetzte, überschritten 20 die durchschnittliche Spieldauer, unter ihnen beinahe jeder potenzielle Stammspieler, insgesamt mehr als 57 Prozent. Die meisten Minuten (5018) hat ausgerechnet Harry Kane absolviert, der – genau wie Teamkollege Jude Bellingham von Real Madrid (4707) – bei der EURO regelrecht überspielt wirkte. Dahinter folgten aus den Reihen der Bayern Joshua Kimmich (4501) und Alphonso Davies (4006). Auch Minjae Kim (4005), Leroy Sané (3956) und Jamal Musiala (3771) waren beim Rekordmeister wie in der Nationalmannschaft besonders gefordert.

49 Pflichtspiele im roten Trikot waren es in der Spielzeit 2023/2024 für die Bayern, geht es im DFB-Pokal heuer weiter und winkt in der Champions League gar das „Finale dahoam“, wird die Kompany-Elf allein in den drei gängigen Wettbewerben auf bis zu 55 Partien kommen. Der Forderung von Lineker – „die Spieler müssen besser geschützt werden“ – kommen die Reform der Königsklasse sowie das neue Format der Club-WM nicht entgegen. Auch in der CIES-Studie sind die Reformen schon berücksichtigt, trotzdem lautet die Prognose für den Durchschnittsspieler: trotz mehr Spielen nicht mehr Spielminuten.

Lineker und anderen, die die Belastungs-Debatte befeuern, reichen diese Zahlen nicht. Es müssen Maßnahmen her, um die Besten der Welt zu schonen, sagen Experten und ehemalige Spieler. Unter anderem der Vorschlag des spanischen Europameister-Trainers Luis de la Fuente, die Verlängerungen in K.o.-Spielen abzuschaffen, wurde heiß diskutiert. Bei der Copa America wurde zuletzt tatsächlich mit Elfmeterschießen direkt im Anschluss an die reguläre Spielzeit agiert. Der positive Nebeneffekt: spannende Spiele bis zum Schluss, kein Taktieren in den letzten Minuten. Lineker sagt: „Verlängerung soll es höchstens noch bei einem Endspiel geben, weil man danach erst einmal einen Monat Pause hat.“

In dieser Pause befinden sich auch die deutschen Nationalspieler gerade. Die 120 Minuten aus dem EM-Viertelfinale gegen Spanien sind inzwischen vom Körper verdaut, auch der Kopf aber muss mal abschalten. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Ende Juli wird Kompany all seine Männer versammeln. Und im Anschluss winkt: eine Mammutsaison. Physisch und psychisch.
HANNA RAIF

MARCO BLANCO UCLES

Artikel 10 von 11