Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Im Fußball war damit in den letzten Jahren nicht etwa die USA, sondern vielmehr England gemeint. Durch fürstliche TV-Verträge oder externe Investoren hatten die Clubs der Premier League derart viel Geld zur Verfügung, dass die europäische Konkurrenz vor Neid erblasste. Nicht selten wurden gute – nicht einmal herausragende – Bundesligaspieler nach einer starken Saison für einen zweistelligen Millionenbeitrag auf die Insel transferiert. Vereinstreue oder gar Sehnsucht nach der heimischen Liga? Schnell über Bord geworfen angesichts der horrenden Gehälter in England.
Nicht erst seit der wahnwitzigen Transfer-Offensive des FC Chelsea – seit Sommer 2022 deutlich über eine Milliarde Pfund an Transferausgaben – ist klar: Finanziell können viele Clubs der Premier League mehr oder weniger schalten und walten, wie sie wollen. Damit soll schon bald Schluss sein. Künftig soll es nämlich eine unabhängige Fußball-Behörde geben, die sicherstellen will, dass Fußballvereine finanziell nachhaltig geführt werden. Darüber hinaus sollen auch Fans stärker in Entscheidungen vieler Art eingebunden werden. Potenzielle Club-Inhaber müssen sich einem Eignungstest unterziehen, der Geldfluss zwischen der Premier League und der zweitklassigen EFL soll zukünftig „fairer gestaltet“ werden. Hört, hört – ganz neue Töne aus dem Mutterland des Fußballs. Verkündet wurden die Ideen von König Charles III. bei der Eröffnung des neuen Parlaments.
Der König spricht, die immer weiter abgedrängte Fußball-Basis jubelt. So nett, so gut. Doch in welchem Ausmaß soll das Ganze umgesetzt werden? Wie reagieren Welt-Vereine wie Manchester City, Stadtrivale Manchester United, der FC Liverpool oder der angesprochene FC Chelsea darauf, wenn die neuen Regelungen sie auf einmal dazu zwingen, ihr Transfer- und Gehaltskonzept anzupassen? Kann die Premier League ihren Nimbus als „beste Liga der Welt“, bei dem sportliche Zweifel durchaus berechtigt sind, beibehalten, wenn die deutsche, spanische oder italienische Liga finanziell plötzlich wieder näherkommen? Viele Fragezeichen, (noch) wenige Antworten.
Der Ansatz der Briten, dem Volk und der Basis ihren Fußball wieder zurückzugeben, ist zweifelsohne ehrenwert. Für Jubelsprünge ist es jedoch deutlich zu früh. Demnächst soll der Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden. Erst dann wird bekannt sein, wie drastisch die Veränderungen ausfallen sollen. Die ganze Fußballwelt wird gespannt nach England blicken.
Als großen Punkt auf ihrer Agenda schreibt sich die unabhängige Behörde zudem auf die Fahnen, die viel kritisierte Super League zwingend verhindern zu wollen. Keine Super League, aber dafür eine XXL-Champions League und eine FIFA-Clubweltmeisterschaft in WM-Länge im Sommer 2025? Scheinheilig! Marco.BlancoUcles@ovb.net