München – Hendrik Bonmann, Tom Kretzschmar, zuletzt David Richter. Das Torwart-Karussell drehte sich in den letzten Jahren bei den Löwen kräftig. Protagonisten stiegen aus, neue kamen hinzu. Sitzen blieb die ganze Zeit über allerdings ein Mann: Marco Hiller. Der 27-jährige Publikumsliebling bekommt auch in diesem Sommer wieder einen Herausforderer, der ihm den Posten im Löwentor streitig machen möchte: René Vollath.
Zwar schon 34 Jahre alt, aber dennoch unbestritten einer der besten Keeper der vergangenen Drittligasaison. Als Motivator für Hiller und Bankwärmer ist der Ex-Hachinger sicherlich nicht nach Giesing gelotst worden. Trainer Argirios Giannikis freut sich ob der hochkarätigen Verstärkung. „Wir wollten einen guten Torhüter dazubekommen. Wir haben zwei super Torhüter, die Position ist bei uns gut besetzt. Da brauchen wir uns keine Sorgen machen.“ Der Löwen-Coach wird um die Qualitäten des Torwart-Routiniers wissen: Als Vollath beim Karlsruher SC unter Vertrag stand, fungierte Giannikis dort als Co-Trainer.
Hiller hat schon zahlreiche Konkurrenzsituationen in den vergangenen Jahren gemeistert und kann auf die Erfahrung von 192 Drittligaspielen zurückblicken. Herausforderer Vollath kann in dieser Hinsicht noch eine Schippe drauflegen – 243 Einsätze in Liga 3 sowie 38 Zweitligaspiele. Hängt logischerweise auch damit zusammen, dass Vollath sieben Jahre älter ist. Dass die Löwen für einen 34-Jährigen Ablöse zahlen, sehen einige Fans als Fingerzeig dafür, wer in der kommenden Saison das Tor hütet. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass Hiller in den vergangenen Jahren noch jeden Konkurrenzkampf langfristig für sich entschied, egal wer ihm vor die Nase gesetzt wurde. „Konkurrenzkampf gab es schon immer. Letztes Mal hat sich Marco Hiller gegen David Richter durchgesetzt“, erinnert auch Trainer Giannikis.
Wie aber tickt der neue Herausforderer des Löwen-Urgesteins (seit 2008 im Verein)? Der Hiller-Rivale vergangene Saison, David Richter, kam als ruhigerer Zeitgenosse daher. Mittlerweile steht dieser beim VfL Osnabrück unter Vertrag, möchte dort den Sechzgern in den direkten Duellen zeigen, dass es ein Fehler war, ihn ziehen zu lassen. Richters Nachfolger hingegen ist als Charakter bekannt, der seine Meinung kundtut und sich auch in der Kabine nicht versteckt.
Einer, der es wissen muss, ist Alexander Schmidt (55). Der Ex-1860-Coach trainierte den Neu-Löwen zwischen Juli 2020 und Februar 2021 beim damaligen Drittligisten Türkgücü München. „René hat einen Top-Charakter, gestaltet auch viel in der Kabine einer Mannschaft mit. Er ist ein absoluter Vollprofi und Ernährungs-Experte“, betont Schmidt. Doch wie sieht der Fußballlehrer, der auch über zehn Jahre nach seinem Trainer-Engagement an der Grünwalder Straße 114 die Löwen intensiv beobachtet, denn die Chancen der beiden Kontrahenten, am 2. August beim Ligaauftakt gegen Saarbrücken im Tor zu stehen? „Die Löwen haben zwei Nummer-Eins-Keeper, das muss man so deutlich sagen. Hiller macht seine Sache auch sehr gut. René wird ihm das Leben auf alle Fälle schwer machen. Es ist offen, wer die Nummer eins werden wird.“
Häufig ist es ein schmaler Grat zwischen gesundem Konkurrenzkampf und vergifteter Atmosphäre in der Kabine aufgrund unzufriedener Spieler. Sollte Hiller den Fight um den Stammplatz im Tor für sich entscheiden, drohe laut Schmidt allerdings kein Szenario, in dem Vollath den Stinkstiefel raushängen lassen würde – im Gegenteil: „René ist ein fairer Sportsmann, der den Kampf annimmt. Er ist der Herausforderer, der sich allerdings komplett in den Dienst der Mannschaft stellt.“ Ein Szenario à la Kahn gegen Lehmann mit vielen umherfliegenden Giftpfeilen wird den Löwen aller Voraussicht nach erspart bleiben.
Möglicherweise ist der offene Posten im Löwen-Gehäuse ein Grund dafür, wieso 1860 kurzfristig verkündete, am kommenden Mittwoch (24. Juli, 14 Uhr) bei Vollaths Ex-Klub Karlsruher SC ein weiteres Testspiel zu absolvieren. Schon länger bekannt sind das heutige Spiel beim First Vienna FC (18:30 Uhr) sowie die Generalprobe in Kaiserslautern (27. Juli, 13:30 Uhr). Spätestens in der Woche nach dem Auftritt auf dem Betzenberg wird sich Giannikis für einen Keeper entscheiden müssen – keine leichte Wahl.
MARCO BLANCO UCLES