Attacke für die Geschichtsbücher

von Redaktion

Pogacar nach Alpen-Spektakel vor Gesamtsieg bei der 111. Tour de France

Finale Machtdemonstration: Tadej Pogacar bei der Zielankunft in Isola 2000. Mit 5.03 Minuten Vorsprung geht er ins Abschlusswochenende. © epa / S. NOGIER

Isola 2000 – Als Tadej Pogacar umringt von Alpenriesen im Gelben Trikot die Siegerfaust in die dünne Höhenluft reckte und sich von Freundin Urska feiern ließ, fand der erschöpfte Jonas Vingegaard Trost in den Armen seiner Frau. Den Traum von der Titelverteidigung, für den der Däne nach seinem schweren Unfall im April so gelitten hatte, hatte Pogacar in einer denkwürdigen Lehrstunde auf dem Weg nach Isola 2000 endgültig zerstört.

Auf 5:03 Minuten vergrößerte Pogacar nach einer Attacke für die Geschichtsbücher seinen Vorsprung in der Gesamtwertung. Vor dem abschließenden Wochenende herrschen klare Verhältnisse: Pogacar, der derzeit beste Radprofi des Planeten, wird mit großer Wahrscheinlichkeit zum dritten Mal die Frankreich-Rundfahrt gewinnen und das erste Giro-Tour-Double seit Marco Pantani 1998 einfahren. „Es sieht besser aus denn je. Der Vorsprung ist jetzt relativ groß, morgen können wir den Tag ein bisschen genießen. Diese Tour war herausragend“, sagte Pogacar.

Auf der brutalen 19. Etappe über drei Zweitausender triumphierte Pogacar am Freitag als Solist, es war bereits sein vierter Tageserfolg bei der 111. Tour de France. Titelverteidiger Vingegaard und Evenepoel erreichten das Ziel mit 1:42 Minuten Rückstand. „Ich bin sehr glücklich, dass ich gute Beine hatte. Ich kannte die Anstiege gut, wir haben hier viel trainiert und es genauso gemacht wie geplant“, sagte Pogacar.

Bei Vingegaards Team Visma-Lease a bike herrschte Ernüchterung. „Wir hatten den Traum, mit Jonas die Tour zu gewinnen. Aber wir müssen realistisch sein“, sagte Sportdirektor Grischa Niermann: „Tadej ist einfach stärker.“

Eine historische Entscheidung fiel auch im Kampf um das Grüne Trikot. Der dreifache Etappensieger Biniam Girmay wird seine herausragende Tour als Gewinner der Punktewertung abschließen, sollte er am Sonntag das Ziel in Nizza erreichen. Der Sprinter aus Eritrea kann von seinem belgischen Verfolger Jasper Philipsen nicht mehr eingeholt werden und als erster afrikanischer Radprofi die Große Schleife in Grün beenden. Der Vorsprung von 33 Punkten ist auf der kommenden Alpen-Etappe und dem abschließenden Einzelzeitfahren nicht aufzuholen.

Dabei sammelte Girmay am Freitag keine weiteren Zähler. Eine Fluchtgruppe machte die frühe Sprintwertung unter sich aus, im Hauptfeld kontrollierte Pogacars UAE-Team die Verfolgung. Vor der finalen Attacke neun Kilometer vor dem Ziel konnte sich Pogacar auf seine Helfer verlassen.

An der Cime de la Bonette, dem brutalen 22,9 km langen zweiten Anstieg auf das 2802 m hohe Dach der Tour, schuftete Pogacars deutscher Teamkollege Nils Politt mehr als die Hälfte des Weges an der Spitze. Bis zum Gipfel übernahmen die Kollegen, Pogacar und seine Rivalen hielten sich noch zurück.

Im finalen Anstieg nach Isola 2000 übernahm Pogacar die Initiative. Er trat an und flog förmlich davon. Der Vorsprung auf Vingegaard/Evenepoel wuchs stetig, die verbliebenen Ausreißer ließ er stehen. „Du schaffst es“, funkte ihm die Teamleitung ins Ohr. Pogacar schaffte es. Zwei Kilometer vor dem Ziel stellte er in Matteo Jorgenson den letzten Ausreißer und machte alles klar.

Eine letzte Bergprüfung muss Pogacar am Samstag bestehen. Von Nizza aus geht es in die steilen Anstiege des Hinterlandes der Cote d‘Azur und zu einer schweren Bergankunft auf dem Col de la Couillole. Mit 132,8 km ist der Tagesabschnitt vergleichsweise kurz.
SID

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