„Sullivan kann ein Weltstar werden“

von Redaktion

Philadelphia-Boss Ernst Tanner über das 14-jährige Wunderkind, Lionel Messi und US-Talente

Alle in Amerika wollen ihn spielen sehen: Argentinens Superstar Lionel Messi. © afp/Panagiotakis

Cavan Sullivan debütierte mit 14 Jahren und 293 Tagen am Mittwoch in der nordamerikanischen Profiliga MLS für Philadelphia Union – der DFB hat ihn im Blick, Sullivans Mutter hat deutsche Wurzeln. © IMAGO

Philadelphia-Sportdirektor: Ernst Tanner, Ex-Talente-Chef der Münchner Löwen. © IMAGO

Die Fußball-Welt staunt über Cavan Sullivan. Mit 14 Jahren und 293 Tagen debütierte der US-Amerikaner, der mit 18 Jahren zu Manchester City wechseln soll, am Mittwoch in der nordamerikanischen Profiliga MLS beim 5:1 von Philadelphia Union gegen New England und löste damit Landsmann Freddy Adu als jüngsten Spieler der Ligahistorie ab. Ernst Tanner verfolgte den historischen Moment mit Stolz. Der Traunsteiner war früher u.a. Nachwuchschef von 1860 München, Hoffenheim und Salzburg. Seit 2018 ist Tanner Sportdirektor von Philadelphia und spricht im Interview über Sullivan, Lionel Messi und die MLS.

Herr Tanner, hat sich der Transfer von Lionel Messi im vergangenen Jahr zu Inter Miami für die MLS gelohnt?

In jedem Fall. Alleine mit Merchandising machen Adidas und Miami mit Messi eine Riesen-Kohle. Dazu gibt es den Publicity-Aspekt. Wir haben unglaublich viele Nennungen, wo auch immer er spielt, strömen die Zuschauer ins Stadion. Er hat den Superstar-Status, den die Amis so lieben.

Inwiefern profitiert Philadelphia Union von Messi?

Wenn Messi mit Miami kommt, könnten wir unser Stadion locker dreimal ausverkaufen. Wir haben letztes Jahr im Halbfinale des Leagues Cup gegen Miami gespielt. Das billigste Ticket hat ca. 230 Dollar gekostet. Und das war eine Stehplatzkarte.

Mit Cavan Sullivan hat Philadelphia ein Eigengewächs, das ebenfalls Superstar-Potenzial hat. Was imponiert Ihnen an ihm?

Für sein Alter ist Cavan unglaublich kaltschnäuzig und hat sofort Initiative ergriffen und den Ball gefordert. Dabei hatte er in den wenigen Minuten auch ein paar richtig gute Szenen. Das war schon imposant!

Was ist für ihn noch möglich?

Cavan ist sicherlich unter den drei besten Talenten, mit denen ich je gearbeitet habe und ich sehe ihn nicht als Frühentwickler, der irgendwann stagnieren wird. Für mich hat er alle Möglichkeiten, sich zum Weltstar zu entwickeln – auch wenn es noch ein Stück Weg bis dahin ist. Der nächste Schritt ist nun die weitere Integration in die Profimannschaft bei uns mit mehr und mehr Spielzeit und ihn zum Stammspieler in der MLS-Mannschaft zu machen.

Sullivan wird zu Manchester City wechseln, darf aber erst mit 18 Jahren dorthin. Es gab Pläne, ihn mit 16 Jahren beim belgischen Club Lommel, der ebenfalls zur City Football Group gehört, bis dahin zwischen zuparken.

Wir haben versucht, das zu verhindern. Es macht überhaupt keinen Sinn, ihn aus einem gut funktionierenden System und weg von seiner Familie zu nehmen, um ihn in fremder Umgebung und möglicherweise einer schlechteren Liga als unserer spielen zu lassen. Wir sind sehr froh, dass Cavan einen Vertrag bis Ende 2028 bei uns unterschrieben hat.

Theoretisch könnte US-Nachwuchsnationalspieler Sullivan auch für den DFB auflaufen. Seine Mutter hat deutsche Wurzeln. Halten Sie das für realistisch?

Es waren bereits Beobachter aus Deutschland da. Ich habe schon mit Vertretern vom DFB über ihn gesprochen. Die Deutschen haben das Glück, dass seine Mutter deutsche Wurzeln hat. Aber Cavan ist Amerikaner, so fühlt er sich auch.

Von Ihrer Nachwuchs-Expertise profitiert Philadelphia Union. Wie gut sind die eigenen Talente?

Wir haben eine ganz ordentliche Akademie beinander. Cavan ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir haben einige hochtalentierte Spieler. Das sieht man regelmäßig beim wohl weltweit größten U17-Turnier, dem GA Cup, den unsere Mannschaft gerade zweimal hintereinander gewonnen hat. Mir geht es dabei nicht so sehr um den Erfolg an sich, sondern auch um die Art und Weise, wie wir gespielt haben und mit welcher jungen Mannschaft uns das gelungen ist. Heuer war unser halbes Team um einen Jahrgang jünger, Cavan war sogar zwei Jahre unter der Höchstgrenze.

Mit Red&Gold Football, ein Joint Venture zwischen dem FC Bayern und Los Angeles FC, will auch der deutsche Rekordmeister vom US-Markt und anderen Kooperationsclubs profitieren. Wie finden Sie das?

Wie soll ich sagen? In der Hinsicht, dass man über LA gut an Spieler und Vereine kommen kann, ist es eine sehr gute Kooperation. Wenn man eins und eins zusammenzählt, kann man sich aber ausmalen, wie viele Kenntnisse Los Angeles von weiteren Kooperationsvereinen wie Grasshoppers Zürich oder Wacker Innsbruck hat. Im Endeffekt ist dieser Zusammenschluss ähnlich wie Multi-Club-Ownership-Geflechte zu sehen.

Wollen Sie in Zukunft noch mal bei einem europäischen Top-Club arbeiten?

Ich habe erst vor Kurzem meinen Vertrag bis 2026 verlängert. Es war ein schönes Ziel, unseren Verein noch mal bis zur WM in den USA zu begleiten. Aus familiären Gründen kann ich teilweise bereits von zu Hause aus arbeiten. Nach meinem Vertragsende möchte ich nicht mehr als Angestellter arbeiten. Dann bin ich auch 60 Jahre alt und habe bis dahin über 35 Jahre lang im Profibereich gearbeitet. Dann ist es irgendwann auch mal genug!


INTERVIEW: PHILIPP KESSLER

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