Es sind nur 15 Sportler und Sportlerinnen aus Russland und 16 aus Belarus. Mehr werden nicht zu den Olympischen Sommerspielen in Paris reisen. Sie treten als neutrale Athleten und Athletinnen an – keine Hymne, keine Flagge, keine nationalen Symbole überhaupt – und das IOC hat die Zugelassenen laut eigener Aussage überprüft. Sie dürfen keine Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen haben und nicht aktiv ihre Unterstützung für den Krieg in der Ukraine gezeigt haben. Zur Prüfung der Zulassungsbedingungen hat das IOC eine Kommission mit drei Mitgliedern eingerichtet. Diese hat auch noch 28 weitere Sportler und Sportlerinnen für neutral erklärt, die aber aus verschiedenen Gründen auf eine Teilnahme verzichten.
Liest sich wie eine ausgewogene Lösung, denn wieso sollte man diejenigen bestrafen, die sich von ihrer kriegerischen Regierung distanzieren oder gar nicht in dem Land leben? Tennisspieler Daniil Medvedev beispielsweise. Seit 2017 lebt er in Monte-Carlo, den Krieg verurteilte er zigmal. Ein Kompromiss also, der ausgewogener und differenzierter daherkommt, als der ursprünglich angedachte Totalausschluss?
Oder eben eine Hintertür. Denn Russland ist ein autoritäres Land. Bis zu 90 Prozent der russischen Sportkader hatte man in Staatsorganisationen angestellt oder eingegliedert. Die Mehrheit davon bei Militär und Polizei. Russland wurde des Staatsdopings überführt. Die Frage, inwiefern dieses System überhaupt Regimegegner zulässt, kommt unweigerlich auf – und ob es sowas wie Neutralität in diesem Umfeld überhaupt geben kann?
Zehn Sportler verstoßen gegen die Bedigungen
Die Zweifel daran sind vergangene Woche nochmal gewachsen, denn die NGO „Global Rights Compliance“ veröffentlichte eine Untersuchung, die zeigt, dass zehn der in Paris als angeblich neutral antretenden Sportler gegen die vom IOC festgelegten Teilnahmebedingungen verstoßen. Unter anderem wird die russische Radsportlerin Alena Iwantschenko genannt, die dem Bericht zufolge eine Reihe von kriegsbefürwortenden Beiträgen in den Sozialen Medien „geliked“ hat, darunter Beiträge, die das Existenzrecht der Ukraine infragestellen. Was für eine Unerträglichkeit muss es für eine ukrainische Sportlerin sein, gegen eine dieser kriegsunterstützenden Athleten anzutreten?