Soldaten der Opération Sentinelle stehen auf dem Place Charles de Gaulle vor dem Arc de Triomphe. © Schuldt/dpa
Der Chef im deutschen Sport: Thomas Weikert © Foto: Privat
Heute starten die ersten Olympia-Wettbewerbe, am Freitag findet in Paris auf der Seine die große Eröffnungsfeier statt. Unsere Zeitung hat vor dem Start mit Thomas Weikert (62), Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, gesprochen.
Herr Weikert, wie müssen die Spiele ablaufen, damit Sie ein positives Fazit ziehen können?
Das Wichtigste ist, dass alles friedlich ist. Wir haben die Eröffnungsfeier auf der Seine, da wird viel über die Sicherheitslage diskutiert. Ich habe aber volles Vertrauen in die französischen Kollegen, dass sie alles im Griff haben. Aus deutscher Sicht: Wir haben den Athleten eine gute Vorbereitung geboten, sodass sie gut gerüstet in Paris ankommen. Wir wollen nicht schlechter abschneiden als bei den letzten Spielen, also mindestens Platz neun. Im Medaillenspiegel sind nicht mehr nur die großen Nationen vorne, es ist alles breiter gefächert. Deshalb wird es in Zukunft nicht einfacher sein, ganz vorne zu stehen. Wir wollen EIN Team sein. Wir haben dieses Jahr eine Menge Mannschaftssportarten dabei, die bringen immer gute Stimmung von Beginn an mit, das beflügelt hoffentlich.
Es kann zum Aufeinandertreffen ukrainischer und russischer Sportler kommen. Der Zentralrat der Juden sorgt sich aufgrund des Nahostkonflikts um die Sicherheit israelischer Athleten. Die politische Stimmung in Frankreich ist angespannt. Kann Olympia all das ausblenden – oder haben Sie Sorge, dass die Spiele von Konflikten überlagert wird?
Die Sorge habe ich nicht. Ich bin zunächst mal froh, dass wir eine zahlenmäßig große ukrainische Mannschaft in Paris haben. Zu der eigentlichen Frage: Natürlich schaut man bei den ganzen Konflikten ernst hin. Es kann immer Störfaktoren von Außen geben. Aber ich glaube, wenn die Spiele laufen und die ersten Medaillen vergeben werden, wird sich in diesen zweieinhalb Wochen alles auf den Sport konzentrieren. Und in der Antike war es ja so, dass während der Spiele Kriege ruhen sollten, zumindest freies Geleit für die Sportler gilt als sicher. Vielleicht wäre Coubertins Idee für die kriegstreibenden Parteien auf der Welt auch heute ein Ansatz, einmal innezuhalten und dem Frieden zumindest teilweise eine Chance zu geben. Das große völkerverbindende Fest hat nur Symbolcharakter, das ist mir vollkommen klar, aber es sendet die richtigen Signale aus.
Die Frage ist, ob sich ukrainische Sportler nur auf den Sport konzentrieren können, wenn sie auf russische Sportler treffen.
Es ist eine Prüfung erfolgt, in die auch Erkenntnisse aus der Ukraine eingeflossen sind. Nur die Sportler, die nichts mit dem Krieg oder Doping zu tun haben, wurden für die Spiele zugelassen. Nach den letzten Informationen des IOC sind das gerade noch 15 russische Athletinnen und Athleten, gegenüber 300-400 Sportlern bei früheren Spielen. Ich bin zuversichtlich, dass sie mit ihren Kollegen sportlich und gemeinschaftlich umgehen werden.
Gibt es Wettkämpfe oder Sportler, auf die Sie sich besonders freuen?
Ich freue mich auf den Zehnkampf, ein Königs-Wettbewerb. Und auch besonders auf die Mannschaftssportarten. Ich komme vom Tischtennis, die werde ich anfeuern, aber ich werde bei möglichst vielen Sportarten sein.
Timo Boll wird der erst dritte deutsche Sportler sein, der an sieben Olympischen Spielen teilgenommen hat. Wie wichtig sind solche Vorbilder für den deutschen Sport?
Ich bin auch noch im Verein tätig. Und die Jugendlichen fragen immer, ob ich nicht mal ein Autogramm von Timo Boll besorgen kann (lacht). Timo ist als Vorbild so wichtig, weil er sich in all den Jahren fair verhalten und immer den Kontakt zu den Leuten gehalten hat, die ihn gefördert haben. Er läuft nicht hochnäsig durch die Welt. Gegen Timo habe ich am Anfang auch mal ein paar Spiele gemacht, mithalten wäre da schon das falsche Wort (lacht). Er ist ein Tischtennis-Weltstar, und als solcher für den Nachwuchs an der Platte immens wichtig.
Der DOSB hat letztes Jahr einen Dialogprozess hinsichtlich Olympischer Spiele in Deutschland geführt. Wie ist der aktuelle Stand?
Wir erhoffen uns einen echten Schub durch faszinierende Spiele bei unseren Nachbarn. Wir gehen davon aus, dass es noch in diesem Monat einen Kabinettsbeschluss der Bundesregierung geben wird, der die klare Unterstützung der Bundesregierung für eine deutsche Bewerbung zum Ausdruck bringt, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wir haben in den zurückliegenden Monaten Szenarien entwickelt, die wir nun in einem Dialog für mögliche Bewerber mit den Vorstellungen des IOC abgleichen wollen. Klar ist, dass wir uns bewerben und baldmöglichst auch konkrete Pläne vorlegen wollen. Dabei kann Rückenwind durch gelungene Spiele in Paris definitiv helfen.
Ist da die Fußball-Nationalmannschaft während der EM ein Vorbild?
Das war wirklich phantastisch. Die haben sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben vorbildlich verhalten. Ich bin guter Hoffnung, dass es in Paris auch so sein wird.
Es wird seit Jahren über eine Reform der Sportförderung in Deutschland diskutiert. Ein erster Entwurf des BMI wurde vom DOSB als „nicht akzeptabel“ abgewatscht. Wie zuversichtlich sind Sie, dass doch noch etwas vorangeht?
Wir haben den ersten Entwurf stark kritisiert. Es gab einige Schwachstellen, die aus unserer Sicht vorher eigentlich schon besprochen wurden. Die Kollegen tauschen sich aktuell intensiv mit dem BMI aus.. Wir sind zuversichtlich, dass der zweite Entwurf die Schwachstellen ausmerzt.
Also ist der deutsche Sport zukünftig infrastrukturell so aufgestellt, dass er international Schritt halten kann?
Das kann man genau so sagen. Wir müssen schauen, dass wir die Athleten genauso berücksichtigen wie das Umfeld. Dazu gehören eine konkurrenzfähige Bezahlung der Trainer ebenso wie ein Abbau der lähmenden Bürokratie durch eine unabhängige und flexible Steuereinheit. So machen das alle erfolgreichen Nationen.
INTERVIEW: NICO-M. SCHMITZ