Tokio 2021: Finalniederlage – und Silber. © imago
Rio de Janeiro 2016: Schon wieder Dritter. © imago
London 2012: Großer Jubel über Bronze. © imago
Peking 2008: Endlich Silber im Team. © IMAGO
Athen 2004: Aus im Viertelfinale. © Imago
Sydney 2000: Bolls erster Auftritt. © imago
„Manchmal bin ich selbst überrascht, dass ich das Tempo noch mitgehen kann“: Timo Boll nimmt an seinen siebten Olympischen Spielen teil und hat Großes vor. Vier (Team-)Medaillen hat er schon, aber Gold fehlt ihm noch. © IMAGO
Es werden die siebten Olympischen Spiele von Timo Boll. Doch der Weg dahin war für die lebende Tischtennis-Legende hart, immer wieder zwickte der Körper. Mit unserer Zeitung spricht der 43-Jährige über den Kampf gegen die Schmerzen, schöne Olympia-Momente und die Mission Paris.
Timo Boll, einen ersten Anruf hinsichtlich Olympia gab es während Ihres Urlaubs in Österreich. Was waren Ihre primären Gedanken nach der Nominierung?
Final habe ich es in Düsseldorf mitgeteilt bekommen, ganz trocken im Büro der Bundestrainer (lacht). Ich habe sofort an Patrick gedacht, der ein guter Freund von mir ist und nach der Nominierung auch noch mal ein paar Hammer-Ergebnisse rausgehauen hat. Es tat mir natürlich leid für ihn. Ich selbst habe auch eineinhalb Jahre brutal hart fighten müssen, musste mich aus Verletzungen zurückkämpfen. Daher war ich total erleichtert, dass sich die ganze Quälerei gelohnt hat. Das war der Grundgedanke, der mich auch so ein bisschen am Leben gehalten hat. Um nicht zu sagen: Was soll das hier alles noch? Lass es einfach sein und mach dir ein schönes Leben. Aber ich wollte es noch mal wissen. Den ersten Schritt habe ich erreicht.
Sie haben schon einmal vom „ständigen Kampf gegen die Schmerzen“ gesprochen. War das auch der Hauptgrund dafür, die internationale Karriere nach Olympia zu beenden?
Das hat die Entscheidung auf jeden Fall erleichtert. Ich hatte immer riesigen Respekt davor, loslassen zu müssen. Ich habe mich gewundert, dass die Entscheidung dann doch so klar in mir hervorgekommen ist und es sich richtig anfühlt. Aktuell spiele ich wieder gut, fühle mich fit, erreiche wieder das beste Niveau, das ich erreichen kann. Viele sind überrascht vom Rücktritt, weil ich eigentlich noch zu gut spiele (lacht). Trotzdem fühlt es sich richtig an, dass ich nach Olympia meine internationale Karriere mit diesem Höhepunkt beende.
In China haben Sie bei den WTT Champions Ihr letztes Turnier gespielt. Sie genießen im Land eine hohe Popularität, wie hat sich der Abschied angefühlt?
In dem Moment hat sich das wie der endgültige Abschied angefühlt. Es hat mich übermannt und mich emotional überwältigt, was dort los war und wie die Fans einen noch mal gefeiert haben. Gefühlt hätte man da schon aufhören können (lacht). Schöner hätte ich mir den Abschied aus China nicht vorstellen können.
Es werden Ihre siebten Olympischen Spiele, das ist nur zwei deutschen Sportlern zuvor gelungen. Wie präsent sind noch die Erinnerungen an Ihre Premiere 2000 in Sydney?
Der Tag, an dem ich mich qualifiziert habe, ist noch sehr präsent. Das war ein kleines Zitterspiel. In der ersten Runde der Olympia-Quali hatte ich versagt und habe es dann in der zweiten Runde geschafft. Die Erleichterung war riesig. Ich kann mich an die Woche vor Olympia erinnern, als wir in Melbourne im Outback mit den Schweden im Trainingslager waren. Das waren damals alles Idole von mir. Das erste Mal Australien, das erste Mal Olympia, da bestaunt man eigentlich alles. Ich war damals schon ein großer Sportfan, kannte so viele Athleten aus dem Fernseher. Da hat man sich drei, vier Stunden in die Mensa setzen können, um einfach nur Leute zu beobachten.
Wann waren Sie nervöser, vor Sydney oder jetzt vor Paris?
Damals war ich relativ entspannt. Ich war einfach glücklich, dass ich dabei war. Heute mache ich mir da schon ein paar mehr Gedanken. Ich kenne eigentlich alles und es geht nur noch um das Performen. Gerade die letzten Olympischen Spiele will man natürlich gut absolvieren. Es soll ein schöner Abschluss werden. Ich will nicht nur teilnehmen, sondern erfolgreich sein. Deswegen habe ich auch nach der Nominierung noch mal brutal viel Gas gegeben. Auf der einen Seite freue ich mich, auf der anderen Seite will ich, gerade auch mit Blick auf Patrick, meine Nominierung bestätigen, beweisen, dass es kein Fehler war. Ich werde da alles reinopfern.
2016 haben Sie die deutsche Mannschaft in Rio als Fahnenträger angeführt. Welche Erinnerungen kommen da hoch?
Das war ein wahnsinniger Gänsehautmoment. Ich weiß noch, wie wir vor dem Einmarsch im Tunnel des Maracana-Stadions standen und die Nationalhymne gesungen haben. Dann läuft man fünf, sechs, sieben Meter vor der ganzen Truppe los, das ist ein brutales Gefühl. Ich war sehr stolz und geehrt.
War der Gedanke in Ihrem Kopf, die Fahne in Paris möglicherweise noch mal tragen zu dürfen?
Nein, ich habe es ja schon erlebt. Das soll auf jeden Fall dann ein anderer Sportler erleben. Es ist zu wertvoll, als dass es einer zweimal erlebt. Da würde ich mich überhaupt nicht wohl fühlen.
Sie haben schon einmal gesagt, dass Sie gegen Spieler antreten, die auch Ihre Kinder sein könnten. Ist das ein besonderer Reiz zu zeigen, dass man eben auch mit 43 noch Weltklasse sein kann?
Es macht auf jeden Fall sehr viel Spaß, gegen diese Jungspunde zu spielen. Man spürt, dass sie glänzende Augen haben, wenn sie noch mal gegen mich spielen dürfen. Umgekehrt interessiert es mich natürlich genauso, wie die neue Generation spielt. Es gibt einen anderen Grundgedanken, die spielen viel mehr Risiko. ich bin noch so ein alter Sicherheitsdenker, der erstmal irgendwie versucht, den Ball auf den Tisch zu bekommen (lacht). Da treffen immer Welten aufeinander, aber das ist super spannend. Manchmal bin ich selbst überrascht, dass ich das Tempo noch mitgehen kann. Natürlich bin ich irgendwo limitiert, aber ich kann körperlich immer noch so gut mithalten, dass ich meine taktischen und technischen Fertigkeiten einbringen kann.
Wann wären es erfolgreiche Olympische Spiele für Sie, bei einer Medaille?
Das Feld ist viel enger zusammengerückt. Es gibt viele Nationen, die uns den Platz hinter China streitig machen wollen. Das sind sicherlich sieben Nationen. An China wird vermutlich wieder kein Weg vorbeiführen, auch wenn sie in den letzten Wochen und Monaten hin und wieder ein bisschen geschwächelt haben. Ab 5. August müssen wir in Topform sein. Seit es den Mannschaftswettbewerb im Tischtennis gibt, haben wir nur gegen China verloren. Das ist immer noch unser Ziel, dass wir möglichst alle anderen schlagen. Sonst wird keiner von uns so richtig happy rausgehen.
INTERVIEW:
NICO-MARIUS SCHMITZ