Hier werden am Freitagabend die Zuschauer sitzen – für bis zu 2700 Euro pro Ticket. © dpa / T. Camus
Auch das Militär hilft mit: 15.000 Soldaten unterstützen bei der Eröffnungsfeier die 45.000 Pariser Polizei. © dpa / Morissard
Paris – Die Seine ist ein Strom voller Widersprüche: Französisches Heiligtum und fürchterliche Kloake, olympische Traumkulisse und olympischer Sicherheits-Albtraum. Und in dieser Widersprüchlichkeit steht der Fluss im Herzen der alten Revolutionsstadt Paris als Schauplatz einer revolutionären Eröffnungsfeier sinnbildlich für Sommerspiele, die in den kommenden zwei Wochen einen kapitalen Spagat schaffen wollen: Olympia 2024 soll ein unpolitisch-heiteres Friedenssportfest inmitten weltweiter Krisenherde werden.
„Ich habe das am Anfang für eine Schnapsidee gehalten“, sagt Frankreichs Staatspräsident Emanuel Macron über die monumentale Zeremonie, mit der am Freitagabend (19.30 Uhr/ARD und Eurosport) die Spiele der XXXIII. Olympiade eröffnet werden, „eine Idee, die mit allen Gepflogenheiten bricht.“
Kein Stadion, wie es bislang unumstößliche Olympia-Tradition war, gibt die Bühne für das Weltereignis – die legendäre Eröffnungsparty von London 2012 beispielsweise verfolgten eine Milliarde Menschen im TV. Stattdessen schippern 600 Boote sechs Kilometer lang die Seine hinab, vorbei an den wichtigsten Landmarken der Metropole, das zeremonielle Epizentrum liegt zwischen Trocadero und Eiffelturm.
Dort werden Macron und IOC-Präsident Thomas Bach die Spiele eröffnen. Dort wird als siebtes von 160 Schiffen, welche die Sportlerinnen und Sportler transportieren, das deutsche mit den Fahnenträgern Anna-Maria Wagner und Dennis Schröder vorbeikreuzen. Dort werden Flaggen gehisst, Reden gehalten, es wird gesungen, getanzt, das Feuer entzündet. Das alles ohne Generalprobe – die Gegebenheiten ließen einen Komplett-Testlauf nicht zu.
„Auch wenn eine solche Feier mehr Strahlkraft hat: Sie auf der Seine auszurichten, ist sicherlich nicht einfacher als im Stadion“, sagt der Pariser OK-Chef Tony Estanguet.
Die riesige Bereich am Seine-Ufer ist seit Tagen Semisperrgebiet, wird am Freitag hermetisch abgeriegelt. Ursprünglich 600 000 Menschen sollten die Feier an Ort und Stelle verfolgen. Wegen Sicherheitsbedenken wurde dies auf 316 000 reduziert, darunter 104 000 Besitzer von bis zu 2700 Euro teuren Tickets. Immer noch eine schiere Menschen-Unmenge, um in Zeiten globalen Terrors den Schlimmstfall ausschließen zu können. Versuchen werden dies 45 000 Polizisten und 15 000 Soldaten.
Sorgen bereitet auch die Seine selbst. Die Wasserqualität des ohnehin belasteten Flusses war im Sommer 2024 derart mies, dass Testwettkämpfe der Schwimmer und Triathleten abgesagt wurden – es klang, als würde in der müffelnden Brühe akute Auflösungsgefahr drohen. Und selbst wenn nicht: Internationale Eröffnungsfeier-Stars, die pikiert mit Taschentuch vor der Nase singen, waren ein Schreckensszenario.
So schlimm wird es nicht kommen, und das (Schiffs-)Bühnenprogramm klingt dufte. Was bislang durchgesickert ist: US-Megastar Lady Gaga und die kanadische Chanteuse Celine Dion sollen Piaf-Songs vortragen – ungeachtet des unschönen Omens für OK und IOC, dass Titanic-Interpretin Dion vor allem mit einem Lied zum Untergang Weltruhm erlangte.
Die Zeremonie dürfte auch nachdenkliche, getragene Momente enthalten, zumal solche, die der aktuellen Weltlage geschuldet sind. Auch wenn die Friedensinstanz IOC die Vermischung von Sport und Politik stets verhindern will.
SID