„Dauser reißt die Hütte nieder“

von Redaktion

Hambüchen über schmerzende Schultern, seinen TV-Job und Gold beim Olympia-Finale

„Er soll es einfach genießen“: Hambüchen (r.) über seinen Kumpel, die Gold-Hoffnung Lukas Dauser. © instagram

Fabian Hambüchen ist schon seit Dienstag in Paris, na klar! Der Reck-Olympiasieger von 2016 liebt Olympische Spiele und will das besondere Flair so lange wie möglich aufsaugen. Für Eurosport berichtet Hambüchen (36) täglich live aus dem Deutschen Haus. Im Interview mit unserer Zeitung spricht er über seine Rolle – und die Turn-Wettkämpfe.

Herr Hambüchen, Sie lieben und leben den olympischen Gedanken. Ist ein Olympiajahr für Sie ein echtes Feierjahr?

Ich freue mich auf jeden Fall das ganze Jahr drauf – nach den letzten zwei Spielen während der Corona-Pandemie ist es umso geiler, dass nun wieder alles so stattfindet, wie ich Olympische Spiele kennengelernt habe. Die Fußball-EM hat Sport-Euphorie in Deutschland ausgelöst, von der ich hoffe, dass sie nun überschwappt. Ich freue mich mega! Vor allem, weil ich in der Rolle als TV-Experte deutlich mehr mitkriege als in der Aktiven-Zeit. Wenn die Sportfamilie zusammenkommt, ist es immer wunderschön.

Sie durften auch Teil des Fackellaufes sein. Ist das vergleichbar mit Olympia-Gold?

Emotional war das schon krass. Man kennt die Geschichte dahinter, klar. Aber wirklich dabei zu sein und das zu erleben, war eine Riesenehre für mich. Leider waren es nur 200 Meter, aber die bin ich schön langsam gelaufen. Ich habe definitiv meinen Negativ-Rekord auf dieser Strecke aufgestellt. Aber ganz bewusst (lacht).

Sind Sie eigentlich mit dem Turn-Blick vor Ort – oder mit dem Weitblick?

Beides. Natürlich schlägt mein Herz weiterhin fürs Turnen, mit Lukas Dauser bin ich in engem Kontakt. Aber bei den zwei Live-Shows, die wir am Abend produzieren, geht es ja um alle Sportarten. Daher muss ich will ich da auch den Überblick behalten.

Nun dürfen Sie die Turnbrille aufsetzen – und auf Ihren Freund Dauser blicken. Er ist dabei, obwohl er sich vor gerade mal fünf Wochen schwer am Bizeps verletzt hat.

Als die Verletzung passiert ist, wusste man nicht genau, was es ist. Aber ich dachte mir: Wenn es irgendeine Art von Bizepsverletzung ist, ist es möglich, das hinzukriegen. Daher war ich wohl einer der wenigen, der bei der Diagnose schon Hoffnung hatte. Ich kenne Lukas, er ist ein Kämpfer. Und er hatte die optimale Therapie. Kaum konnte er wieder belasten, war er wieder voll da. Mit einer Weltklasse-Übung am Barren.

Setzen Olympische Spiele Superkräfte frei?

Da kann ich von 2016 ein Lied von singen. Der Kopf spielt eine große Rolle.

Auch bei Ihnen zwickte damals die Schulter, jedoch deutlich länger und hartnäckiger. Sind Ihre und Dausers Situation dennoch vergleichbar?

Vergleichbar ist, dass wir beide sehr wenig Zeit hatten, das noch hinzukriegen. Ich habe drei, vier Monate mit der Sch…. rumgetan und konnte nichts machen. Aber uns beiden ist einfach die Zeit davongelaufen. Wir beide mussten jeden Tag darum kämpfen, überhaupt dabei zu sein. Vor allem vom Mentalen her ist es fast dasselbe. Ab einem gewissen Punkt haben wir beide nicht mehr nach hinten geschaut, sondern nur nach vorne. Und so hat Lukas auch mit meinem Onkel Bruno im mentalen Bereich gearbeitet. Allein dass Lukas dabei ist, ist eine große Belohnung für seinen Kampf. Das sieht man ihm auch an. Er strahlt ein Olympia-Lächeln!

Ist die Parallele auch, dass Gold drin ist? Sie haben sich in Rio trotz der harten Vorbereitung gekrönt.

Drin ist es immer! Es gibt einen Chinesen, der unschlagbar scheint. Aber auch der hat schon mal verturnt – und ist nur ein Mensch. So ähnlich war die Situation damals bei mir auch. Wenn du erstmal im Finale stehst, kann alles passieren. Jetzt geht es darum, das zu zeigen, was er kann. Und mit der Vorgeschichte auch darum, einfach zu genießen.

Wie können Sie ihm als Mentor helfen?

Das habe ich in Tokio schon gemacht. Wir telefonieren viel. Ich habe ihm letzte Woche gesagt: Luki, jetzt cool bleiben! Jetzt nicht übertreiben! Der Tapetenwechsel nach Paris setzt nochmal richtig viel Energie frei, die er nicht verheizen darf. Das sind solche Sachen, die man als Sportler zwar weiß. Aber es ist immer gut, wenn es jemand, der das schon durchlebt hat, nochmal sagt.

Auch für Dauser ist es – wie bei Ihnen damals – das große Olympische Finale.

Diese Zuspitzung ist auch eine Parallele, ja. Ich habe mir das 2016 extrem bewusst gemacht, weil mir die Situation geholfen hat, mich nicht verrückt zu machen. Als ich in Rio zum Reck-Finale rausgegangen bin, habe ich beim Einmarsch ein ganz leichtes Grinsen auf dem Gesicht. Das war der Moment, in dem ich gemerkt habe, ich wurde saunervös. Aber ich habe mir dann sofort gesagt: Genieß es! Es sind deine vierten Spiele! Es ist geil, dass du das nochmal erleben darfst!

Was macht Fabian Hambüchen, wenn Lukas Dauser Olympia-Gold holt?

Bei meinem Sieg habe ich gesagt: Dann legen wir das Deutsche Haus in Schutt und Asche. Das machen wir dann in Paris nochmal (lacht). Und wenn man weiß, wie Luki feiern kann, dann ist das keine leere Drohung. Wenn der mal loslässt, reißt er die Hütte nieder.


INTERVIEW: HANNA RAIF

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