„Die Spiele mit der größten Strahlkraft“

von Redaktion

IOC-Mitglied Michael Mronz über Paris, Thomas Bachs Image und deutsche Olympia-Chancen

Mit großer Begeisterung Ja gesagt: Sportmanager Michael Mronz wurde 2023 ins IOC aufgenommen. © dpa(Cao Can

Seit Oktober 2023 ist Michael Mronz (Witwer von Guido Westerwelle) Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), einflussreich in der Welt des Sports war er schon vorher. Gründer von CHIO, die größte Reitveranstaltung der Welt, Spezialist für Sportevents, bereits als Sportmanager des Jahres ausgezeichnet. Mit unserer Zeitung spricht der 57-Jährige darüber, was Deutschland bei einer Olympia-Bewerbung besser machen muss und wie er die Kritik am IOC um Präsident Thomas Bach beurteilt.

Herr Mronz, was sind Ihre Eindrücke von der Institution?

Als sich die Option ergeben hat, IOC-Member zu werden, habe ich mit großer Begeisterung Ja gesagt, weil ich von der Institution IOC und davon überzeugt bin, dass Thomas Bach als Präsident sehr viele Entscheidungen in den letzten Jahren in die Weiterentwicklung der Olympischen Spiele geprägt hat. Die Spiele in Paris werden die ersten der Agenda 2020. Die Spiele werden jünger, diverser, urbaner und nachhaltiger. 95 Prozent der Venues sind Sportstätten, die bereits vorhanden sind, die restlichen sind temporäre Bauten. Um 50 Prozent ist der Carbon-Footprint bezogen auf Rio und London reduziert, und dadurch werden die Spiele auch in der Form, in der sie ausgetragen werden, deutlich nachhaltiger. Die Olympische Bewegung ist gleichzeitig die größte Friedensbewegung der Welt. Gerade in Zeiten, in denen es geopolitische Spannungen gibt, ist es wichtig zu schauen, wo Brücken gebaut werden können, wo Kommunikation aufrechterhalten oder wieder aufgebaut werden kann.

Ein ziemlicher Lobgesang auf das IOC. Im Diskurs in Deutschland kommt das IOC nicht ganz so gut weg…

FIFA, UEFA, DFB, DOSB, IOC, die großen Verbände werden in Deutschland alle nicht mit einem guten Leumund betrachtet, zu oft negativ dargestellt. Da darf man sich schon die Frage stellen, ob es immer nur an den Organisationen liegt oder ein Stück daran, dass wir Freude daran haben, immer auf die schlechten Aspekte zu schauen. Man muss neben der Soll- aber auch immer die Habenseite betrachten. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, sichtbarer zu machen, welche positiven Dinge durch das IOC bewegt werden. Wenn es Themen gibt, in die ich mich aktiv einbringen kann, dann werde ich meinen Beitrag dazu leisten, eine Entwicklung voranzutreiben. Gleichzeitig ist das IOC eine globale Organisation, es ist keine nationale Organisation. Das heißt, es sind die Interessen aller Mitgliedsnationen zu berücksichtigen. Manche Entscheidungen sind vielleicht in Deutschland im ersten Moment nicht nachzuvollziehen, ergeben aber im globalen Kontext Sinn.

Sie arbeiten mit Thomas Bach zusammen. Die einen sprechen von einem starken Netzwerker, andere von jemandem, der die Autokraten dieser Welt hofiert.

Zunächst mal übergeordnet: Morgens kaufen wir ein Handy, das in China hergestellt wird, abends beschweren wir uns über die Vergabe der Olympischen Spiele nach China. Der Bundeswirtschaftsminister fliegt nach Katar und schließt dort einen Vertrag für Gas ab. Das begrüßen wir, aber die Vergabe der Fußball-WM nach Katar kritisieren wir. Warum haben wir oftmals eine andere Erwartungshaltung an den Sport als an unser eigenes Verhalten? Wenn wir auf das Wirken von Thomas Bach schauen, möchte ich ein Beispiel nennen. Bei den Winterspielen 2018 sind Nord- und Südkorea unter einer Flagge eingelaufen, dabei besteht nur ein Waffenstillstand, es gibt keinen Friedensvertrag. Das zeigt das große diplomatische Geschick, das das IOC unter der Führung von Thomas Bach an den Tag legt. Dass die Politik es im Anschluss nicht geschafft hat, dieses Bindeglied zu nutzen und aus dieser Annäherung der beiden Länder etwas wachsen zu lassen, ist schade. Das soll kein Vorwurf sein. Ich war mit einem Außenminister verheiratet und weiß, wie komplex solche Situationen sind. Aber es zeigt die besondere Kraft, die Thomas Bach an den Tag gelegt hat.

Bei den Spielen in China hat eine Uigurin das Olympische Feuer entzündet, während im Land hunderttausende Uiguren in Lagern gefoltert werden. Das IOC hat bei dieser Inszenierung zugesehen. Bei den Spielen von Sotschi wurde von Frieden gesprochen, und anschließend die Krim überfallen.

Man darf den Sport nicht überfrachten. Sport ist Brückenbauer, aber nicht der verlängerte Arm der Politik. Der Sport ist nicht für die Politik da, die Politik muss für den Sport da sein. Russland ist als Mitgliedsland im IOC nach der Annexion der Krim suspendiert worden. Es gibt sehr klare Kriterien seitens des IOC für Individuelle Neutrale Athletinnen und Athleten mit russischem oder belarussischem Pass, um an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Ein Athlet ist in erster Linie ein Mensch und kein Vertreter eines Staates. Ich glaube, dass wir als IOC da eine klare Position zeigen.

Das IOC vergibt die Olympischen E-Sport-Spiele nach Saudi-Arabien und kündigt auch gleich eine zwölfjährige Partnerschaft an. Ist ein Staat, der aufgrund von Menschenrechtsverstößen so sehr in der Kritik steht, ein guter Partner für das IOC? Oder muss man einfach anerkennen, dass die Sportwelt nun durch Saudi-Arabien und andere Länder mitgestaltet wird?

In Deutschland tun wir gut daran, wenn wir auch Entwicklungen anerkennen. Ich war selbst im April in Saudi-Arabien und hatte dort die Gelegenheit, mich mit einer Vielzahl von Personen auszutauschen. Ich bin selbst homosexuell und weiß um bestimmte Themen, die das Land betreffen. Man kann sicherlich Sachen kritisch ansprechen, sollte man auch. Man sollte aber ebenso positive Entwicklungen anerkennen. Deutschland ist 1974 Weltmeister im eigenen Land geworden, zu dem Zeitpunkt war Frauenfußball in Deutschland verboten. Der Paragraph 175, der Homosexualität unter Strafe gestellt hat, wurde 1994 abgeschafft.

Wie sehen sie die Strahlkraft von Olympia im Jahr 2024?

In Paris werden 11000 Stunden Content produziert, so viel wie nie zuvor – bei 3000 Stunden Sport. Technische Innovationen bieten dabei unglaublich spannende Möglichkeiten. Egal ob Künstliche Intelligenz, Videoproduktion mit 8K-Kameras oder der Einsatz von Drohnen. Das werden mit Sicherheit die Spiele mit der größten medialen Strahlkraft werden. Die mediale Interessenlage ist gigantisch.

Viele Verantwortliche in Deutschland erhoffen sich durch die Bilder von Paris auch einen Schub in Sachen Olympiabewerbung.

Paris ist eine tolle Bühne, um zu zeigen, welche Kraft in den Olympischen Spielen steckt. Was ist der Wert für die Durchführung oder Bewerbung für die Spiele? Sport ist eine wichtige soziale Achse unserer Gesellschaft. 28 Millionen Menschen sind Mitglied in einem Sportverein. Es gibt 16 Millionen Single-Haushalte, die Familienministerin hat gerade den Vereinsamungsbericht veröffentlicht. Der Sportverein ist häufig ein sozialer Ankerpunkt, hier finden Menschen Zuflucht. Zudem vermittelt Sport Werte wie Fair Play und Teamwork und hilft entscheidend bei der Integration. Es müsste viel deutlicher transportiert werden, welchen Wert der Sport für das Sozialgefüge hat. Eine Bewerbung für Olympische Spiele wird helfen, das sichtbarer zu machen und notwendige Investitionen damit zu verbinden.

Woran hapert es da noch?

Zunächst ist es wichtig, dass Deutschland alle formalen Rahmenbedingungen erfüllt. Deutschland muss als vertrauensvoller Partner im internationalen Sport wahrgenommen werden. Da heißt es Vertrauen aufbauen. Das macht man dann, wenn man es nicht braucht, um es einlösen zu können, wenn man es benötigt. Dann braucht es ein überzeugendes Konzept, das nicht allein heißen kann: Wir wollen nachhaltige Spiele. Das ist eine Grundvoraussetzung von Seiten des IOC. Es gibt sowohl für 2036 als auch für 2040 große Konkurrenz. Allein für das Jahr 2036 gibt es eine zweistellige Zahl von Interessenten. Der internationale Sport muss sagen: Ja, wir freuen uns drauf, die Spiele nach Deutschland zu vergeben. In Deutschland werde ich oft gefragt, was können wir aus den verlorenen Bewerbungen lernen? Meine Antwort: Lasst uns lieber aus gewonnenen Bewerbungen lernen. In Australien gab es für die Region Queensland mit Brisbane ein klares Commitment der Stadt, der Region, der Politik und der Sportpolitik für 2032. Gerade auch aus der Politik muss es Vertrauen in den Sport geben. Das ist die Kernvoraussetzung, und da müssen wir sicherlich noch ein bisschen besser werden.


INTERVIEW: NICO-MARIUS SCHMITZ

Artikel 3 von 11