TV-KRITIK

Lächel-Lisa und die Gänsehautevolee

von Redaktion

Harte Prüfung für alle: Boris Becker bei Lea Wagner.

ARD und ZDF haben nach der EM an ihrem Personal rumgedrückt wie an einer ominösen Avocado im Supermarkt. Bei der Druckprobe haben sie festgestellt: Die gehen leicht noch. Deshalb sind bei Olympia die gleichen TV-Menschen am Start wie zuletzt beim Fußball – und wie wahrscheinlich auch schon bei den letzten Sommerspielen in Paris 1924. Esther und Bommi, KMH und Breyer, der redelustige Tom Bartels – alle wieder da, Alex Bommes sogar im gleichen kostengünstigen 140-Euro-Anzug wie im EM-Viertelfinale. Aber so sind wir Fernseh-Giftspritzen: Wenn sie sparen bei den Öffis, ist es auch wieder nicht recht. Wir vergeben die ersten TV-Medaillen für Les Miserables und für die Gänsehautevolee von Paris.

Gold für Felix Neureuther: Die wichtigste Frage im Ersten war ja, wo sich Schweini rumtreibt. Wie soll es Esther ohne ihren Galan durch Acht-Stunden-Tage schaffen? Hatte seine Avocado Druckstellen? Aber der schlaue Schweini, der zuletzt semiglamourös am Bodensee geurlaubt hat, hat seinen besten Spezi vorbeigeschickt, den Neureuther Felix. Und der ist mit Garmischer Lausbuben-Charme zu jeder Jahreszeit eine Freude. „Er ist unser ökumenischer Olympionike“, blödelte Bommes über den Wintersportler im Sommer, der in Paris als Über-den-Tellerrand-Schauer zugange ist. „Kann der Sport immer noch die Welt verändern? Ich glaube Ja“, sinniert der Felix. Und diese Hoffnung kann man bei Thomas Bachs ganzen Doping-Chinesen gut brauchen.

Blech für Tom Bartels: Wenn Schanzen-Thommy nach diesem Quassel-Striptease je wieder eine Eröffnungsfeier kommentieren darf, kann es nur an der dramatisch dünnen Personaldecke im Ersten liegen. Er hat alles erzählt, was niemanden interessiert hat, und das ausführlich. „Armenien, eine Ringernation“, „In Ruanda sind Plastiktüten seit 2008 verboten“ – und es gibt „Medaillen in Gold, Silber und Bronze“. Echt so? Auch Slowenien ist eine Ringernation, genau gesagt eine Skisp-Ringernation, was in Paris aber gar nicht so das Thema ist. Der Mann hat die Wikipedia gefrühstückt. Nur bei Marie-José Pérec, die das Feuer entzündet hat, verließen ihn seine Kapazitäten. „Who is the Girl?“, jammerte er. Vielleicht hätte Bartels französische Sport-Promis pauken sollen, statt der Altersstruktur von Belize.

Gold für Matthias Stach: Nur beim Schwimmen kommt Tom Bartels nicht ins Selbige. Aber sein Abfeiern von Olympiasieger Lukas Märtens („Er schwimmt völlig losgelöst“) war auch eher fad. Was für ein Genuss dagegen Spielervater Matthias Stach bei Eurosport. Er lebte, er litt, er schwamm quasi mit: „Um Gottes willen! Ein krasser Typ! Eieiei, das macht uns fertig jetzt!“ Es sind eben alles Sport-Narrische beim Sportsender – was auch für Boris Becker gilt, der als Experte wieder mal aufblüht.

Blech für Lea Wagner: Die ARD-Reporterin hat ihr erbarmungsloses Lächeln von der EM mitgebracht. Boris musste bei ihr zum Interview antreten, eine der härtesten Prüfungen für Sportler in Paris. Lindsey Vonn sprach sie auf Englisch an, obwohl jeder aus 5217 Interviews weiß, dass die US-Skifahrerin jahrelang Deutsch-Unterricht bei Maria Riesch genossen hat. „Ich hab mich jetzt auf Englisch eingestellt, das ist toll“, strahlte Lächel-Lea, und der Zuschauer wunderte sich. Das kommt davon, wenn man das Personal einfach von der EM übernimmt: Die Zeit, um sich anständig vorzubereiten, war zu kurz.

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