„Darüber ist kein Trainer glücklich“

von Redaktion

Sportlich Gift, wirtschaftlich ein Muss: Marketing-Experte sieht Korea als perfekten Markt

Eric Dier und die Bayern gestern bei der Abfahrt in Richtung Südkorea. © FCB

„Diese Reise macht viel Sinn“, sagt Experte Rohlmann. © fkn

München – Der FC Bayern reist nach vorigen Stationen in Japan, China oder den USA erstmals nach Südkorea. „Das ist der nächste logische Schritt“, sagt Marketingexperte Dr. Peter Rohlmann. Im Interview mit unserer Zeitung erklärt er, was sich der Rekordmeister von der Reise wirtschaftlich erhofft – und weshalb er trotzdem aufpassen muss, sportliche Ziele und die eigenen Fans nicht zu vernachlässigen.

Herr Rohlmann, weshalb organisieren Vereine weltweite Vorbereitungstouren?

Die großen Clubs reisen schon seit längerer Zeit ins Ausland und versuchen, neue Zielgruppen anzusprechen. Der FC Bayern folgt diesem Beispiel, und das aus einem einfachen Grund: Das heimische Potenzial ist ausgeschöpft, in Deutschland kann er keine Fans und Sponsoren mehr mobilisieren.

Wieso?

Das gilt für alle Vereine, die ganz oben stehen. Es gibt in jedem Land eine bestimmte Anzahl an Menschen, die Fußball mögen. Die haben aber bereits ihre Vorlieben, daran kann auch der FC Bayern nichts mehr ändern. Kein Dortmund-Fan dieser Welt feuert auf einmal Bayern an, egal wie gut die Marketingkampagne ist.

Also startet der Verein Reisen ins Ausland, jetzt geht es für fünf Tage nach Seoul.

Das ist der nächste logische Schritt. Im Vergleich zur Premier League und den spanischen Clubs hat der deutsche Fußball grundsätzlich Nachholbedarf in Sachen Auslandsvermarktung. Seit 2014 hat sich beim FCB aber einiges getan: Auslandsbüros, Legenden-Teams, internationale Fußballschulen. Durch die Reise nach Südkorea schließt er nun eine wichtige Lücke.

Welche?

Durch die Touren in die USA und nach Fernost (China, Singapur, Japan) hat der Club einen großen Bereich abgedeckt. Südost-Asien ist bisher ein blinder Fleck, wirtschaftlich aber enorm wichtig: Hier leben geschätzte zehn Prozent der Weltbevölkerung, das ist ein Riesenmarkt. Zwar sind in vielen asiatischen Ländern andere Sportarten populärer, in Südkorea steigt der FCB aber in ein bereitetes Bett: Hier herrscht der zweithöchste Anteil an Fußballfans (67 Prozent), nur in Thailand ist er höher (68). Und durch den dortigen Mega-Star Minjae Kim macht diese Reise besonders viel Sinn.

Wie schätzen Sie Kims Rolle ein?

Wenn man einen Spieler aus diesem Land im Kader hat, der dort sehr beliebt und ein Leistungsträger in der Nationalmannschaft ist, macht es absolut Sinn, dorthin zu reisen. Anhand einheimischer Stars lassen sich immer wieder neue Fans mobilisieren. Das lässt sich in Sponsoring-Verträge, Trikot- oder Ticketverkäufe und somit Geld für den Verein ummünzen.

Sollte man bei zukünftigen Transfers also vor allem auf die Marketingmöglichkeiten eines Spielers achten?

Dieses Ziel werden sie kaum einem Vorstand des FC Bayern erklären können. Es gilt sicher weiterhin die Devise, dass das Sportliche zuerst zählt. Trotzdem gibt es Gegenbeispiele: Zum Zeitpunkt seines Wechsels (2017) hatte James Rodriguez nach Cristiano Ronaldo die zweitmeisten Follower aller Fußballer weltweit. Sportlich war seine Leihe wenig erfolgreich, der Trikotabsatz in Kolumbien und Südamerika ist aber enorm gestiegen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

Eine Gefahr in der Auslandsvermarktung liegt darin, die DNA des Vereins zu vernachlässigen.

Da haben Sie Recht. Man muss aufpassen, dass man nicht die eigene Mutter verkauft. Es ist eine Gratwanderung: Die Fans dürfen nicht das Gefühl kriegen, dass man zu kommerziell rüberkommt und ihnen vor den Kopf stößt. Die eigene Identität ist schließlich die wichtigste Marke. Ich finde aber, dass es der FC Bayern im Konzert der Großen sehr gut löst. Die Homepage ist auf sieben Sprachen übersetzt, so schafft man eine große Nähe zu Fans aus aller Welt, ohne dem eigenen Kern vor den Kopf zu stoßen.

Wie lässt sich der Erfolg einer solchen Reise beurteilen?

Man kann Kriterien entwickeln und messen, was sich nach der Reise im südkoreanischen Markt verändert hat. Wie viele Sponsoring-Einnahmen gab es bisher? Wo sind sie gestiegen? Auch der generelle Anteil, wodurch sich der FCB finanziert, verändert sich. In den letzten Jahren haben sich die Vorbereitungsreisen sehr bezahlt gemacht: Man hat nicht nur finanziell profitiert, sondern auch Spieler in den eigenen Reihen, die ohne das internationale Resümee nicht nach München gewechselt wären. Das zeigt sich sogar im Campus, aus dem Spieler in die erste Mannschaft eingegliedert oder verkauft werden können.

Helfen diese Reisen der Bundesliga insgesamt?

Ja, deshalb beklagen sich Bayern und der BVB ja regelmäßig, dass sie nahezu die einzigen zwei Clubs aus der Bundesliga sind, die in andere Kontinente reisen. Andere Vereine beschränken sich auf das europäische Ausland.

Von der eigenen Internationalisierung profitiert zuallererst der FC Bayern selbst.

Durch die Präsenz in anderen Teilen der Welt wird aber der deutsche Fußball generell populärer, davon profitieren auch kleine Clubs. Vor allem wenn man bedenkt, dass diese Reisen sportlich ein Dorn im Auge sind.

Wieso?

Zeitverschiebung, ein anderes Klima, zwei jeweils über zehnstündige Flugreisen, Jetlag, mögliche Infektionen – und das mitten in der Vorbereitung. Das ist für jeden Trainer eine Katastrophe, darüber ist niemand begeistert. Aber auch Vincent Kompany muss es akzeptieren, weil es dem Verein langfristig nützt.


INTERVIEW:

VINZENT TSCHIRPKE

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