Ungewollt im Mittelpunkt

von Redaktion

FCB-Star Kim populärer als Son – Korea-Fanclub: „Er heißt hier Wachhund“

Lebt Fleiß und Disziplin vor: Bayern-Star Minjae Kim. © dpa

Frau Lee lebt für den FC Bayern: Red Light Korea samt der Fanclub-Vorsitzenden beim Legendenmatch mit Pizarro und Elber. © FCB

Seoul – Beim öffentlichen Training des FC Bayern ging am Freitagabend immer wieder ein Raunen durch die Arena. Der plötzliche Jubel hing aber nicht mit möglichen Toren im Abschlussspiel zusammen – wer den Grund finden wollte, musste auf die Stadionleinwand blicken. Immer, wenn dort Minjae Kim gezeigt wurde, flippten die rund 10 000 Fans aus – egal, ob Kim sich gerade dehnte oder nur einen Schluck aus der Trinkflasche nahm.

Der Innenverteidiger ist in seiner koreanischen Heimat ein Superstar – obwohl er das gar nicht will. „Ich mag es nicht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu sein. Ich stehe hier sehr im Fokus, aber ich habe viele Mitspieler, die viel berühmter sind als ich“, sagte Kim auf der Pressekonferenz zuvor und zählte all die Kollegen auf, die in seiner Wahrnehmung mehr Applaus verdient hätten. „Thomas Müller, Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Jamal Musiala – sie bekommen auch viel Aufmerksamkeit. Die können sie auch gerne haben, sogar gerne mehr als ich.“

Der koreanische Fanclub „Red Light Korea“ sieht das anders. Er unterstützt nicht nur den FC Bayern am anderen Ende der Welt, sondern jetzt auch speziell Minjae Kim. Warum der FCB-Star in der Heimat anders wahrgenommen wird als sein Landsmann Heung-Min Son (Tottenham), erklärt die Vorsitzende Minyoung Lee. „Durch ihn ist das nationale Interesse am FC Bayern enorm gewachsen“, berichtet Frau Lee im Gespräch mit unserer Zeitung: „Wir Koreaner sind stolz auf seinen Wechsel nach Europa, er verkörpert für uns enormen Willen und Durchsetzungsstärke. Kim ist hier ein Vorbild für alle, vor allem seine Physis und wie er verteidigt, beeindruckt uns. Er wird im Koreanischen Fernsehen sogar oft als Metapher benutzt. Wenn eine harte Wand gezeigt wird oder es um Eisen geht, steht in den Untertiteln oft ,hart wie Minjae Kim‘. Er wird bei uns Wachhund genannt. Wenn man das Tier sieht, denkt man in Korea sofort an Minjae.“

Durch die genannten Eigenschaften hebe sich der Bayern-Star auch von Son ab, der ein „absoluter Mega-Promi“ sei, vergleichbar mit einem K-Pop-Star. Minjae Kim, so Frau Lee, werde anderes als der Tottenham-Star nicht nur als Fußballer wahrgenommen, sondern als Vorbild in Bezug auf eine tugendhafter Einstellung. „Kim mögen die Menschen für seine Zurückhaltung, Fleiß und Disziplin“, so die Fanclub-Vorsitzende Lee: „Er verkörpert wichtige Eigenschaften!“

Für den schüchternen Kim ist es nichts Neues, in seiner Heimat wie ein Rockstar umjubelt zu werden. Auf Reisen des FC Bayern ist er es aber nicht gewohnt, seine Teamkollegen im Blitzlicht der Fotografen wortwörtlich in den Schatten zu stellen. „Selbst die Superstars in Deutschland und England kriegen nicht so viel Aufmerksamkeit, wenn sie über die Straße laufen“, bemerkte auch Trainer Vincent Kompany, der die englische – und nicht gerade auf Privatsphäre rücksichtnehmende – Star-Kultur miterlebt hat. „Das ist ein ziemlich anderes Leben in Korea. Wie er damit umgeht, ist bemerkenswert.“

Auf der Reise nach Seoul fungiert Kim als Aushängeschild und Touristenführer, am Abend zuvor lud er das gesamte Team auf ein Barbecue ein. Kim sei „aufgeregt und glücklich“, seinem Team sein Heimatland näherzubringen. „Ich habe meinen Mitspielern die Kultur und das Essen, aber auch das Land allgemein gezeigt.“

Am kommenden Montag ist die Marketingtour schon wieder vorbei, die Fragen nach Kims Rolle unter dem neuen Trainer Kompany bleiben jedoch. Kim bekräftigte nach dem schwierigen letzten Halbjahr in der vergangenen Saison, „nie daran gedacht“ zu haben, den Club zu verlassen. Stattdessen wolle er „hart arbeiten, mein Fokus liegt auf der neuen Saison“.

Ein Trumpf für die Startelf könnte der neue Trainer Kompany sein, der in seiner aktiven Zeit selbst in der Defensive auflief. „Er mag Verteidiger. Er will, dass wir 1-zu1-Situationen nicht verlieren. Ich lerne sehr viel von ihm“, sagte Kim und fügte an:„Es ist die erste richtige Saisonvorbereitung in Europa. Es liegt also an mir, wie ich mich vorbereite. Es sind ein paar neue Spieler da – dadurch kommt es auch darauf an, wie wir als Team zusammenarbeiten.“
V. TSCHIRPKE, P. KESSLER

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