„Will der Welt zeigen, was in mir steckt“

von Redaktion

Sprinter Owen Ansah geht mit großem Selbstbewusstsein bei Olympia an den Start

In guter Form zu Olympia: Owen Ansah. © Kohring/IMAGO

Paris – 9,99 Sekunden – Owen Ansah ist der schnellste deutsche Mensch über die 100 m aller Zeiten. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der 23-Jährige über das Treffen mit den Besten in Paris, rassistische Kommentare und Vorbild Usain Bolt.

Owen Ansah, mit etwas Abstand, wie haben sich die Tage nach dem deutschen Rekord angefühlt?

Die ersten Tage waren surreal. Aber das Training ging ja sofort weiter. Ich habe es schnell realisiert und verdaut. Es bleibt keine Zeit, mich auf irgendetwas auszuruhen. Jetzt geht es darum, die nächsten Ziele zu verwirklichen.

Wie schnell war Ihnen klar, dass Sie nun der Rekordhalter sind?

Als ich ins Ziel eingelaufen bin, wussten wir ja noch nicht, wie viel Wind es gab. Da habe ich es noch nicht richtig glauben können. Als alle zu mir kamen, wusste ich: Okay, ich bin wohl der, der die 9,99 gelaufen ist (lacht). Als es offiziell wurde, war ich mega happy, das war ein unglaubliches Gefühl, Geschichte geschrieben zu haben. Ich bin mit einer 10,11 in die Saison gestartet. Da wusste ich schon, dass es mit mehr Wettkämpfen und mehr Vertrauen in mich in diese Richtung gehen kann.

Das deutsche Sprintteam erlebt in den letzten Jahren einen Aufschwung. Motiviert die starke nationale Konkurrenz?

Das pusht mich auf alle Fälle. Bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig war mir klar: Heute musst du was zaubern, damit du vorne mitlaufen kannst. Das motiviert mich natürlich extrem. Wir haben ein gutes Team, sind alle hungrig, jeder kann eine schnelle Zeit auf die Bahn bringen. Da darfst du dich nie ausruhen.

Nach Ihrem Sieg gab es rassistische Kommentare. Hat Sie das beschäftigt?

Das beschäftigt mich gar nicht. Das sind irgendwelche Menschen im Internet. Diesen Menschen sollte man einfach keine Aufmerksamkeit geben. Jede Plattform, die man ihnen gibt, ist eine Plattform zu viel.

Auf Netflix gibt es die Serie Sprint, nach dem Vorbild der Tour de France und Formel 1. Schon reingeschaut?

Ich habe sie direkt durchgeguckt (lacht). Es war cool und interessant zu sehen, was den Leuten, die nicht in der Szene sind, gezeigt wird. Bei uns läuft es ähnlich ab wie bei den Athleten in der Serie. Außer vielleicht, dass wir alle vorne mitrennen (lacht). Aber es ist ein authentischer Einblick in unseren coolen Sport. Ich hoffe, dass wir auch dadurch die Aufmerksamkeit bekommen, die wir uns verdienen. Wir geben jeden Tag alles, gehen an unsere Limits.

Was ist Ihr Ziel mit der Staffel in Paris?

Wir wollen auf jeden Fall ins Finale. Das haben wir uns fest vorgenommen. Auch wenn jetzt die ganze Welt dabei ist. Im Finale passiert dann immer so viel, da müssen wir einfach unser Ding durchziehen und die Nerven behalten.

Sie werden neben den schnellsten Männern der Welt um Noah Lyles am Start stehen. Wie sehr freuen Sie sich darauf?

Wenn man neben den schnellsten Männern der Welt auf der Bahn steht, gehört man ja auch selbst zu den schnellsten Männern der Welt (lacht). Ich will der Welt zeigen, was in mir steckt. Sein ganzes Leben trainiert man für diesen Moment. Das ist ein Kindheitstraum von mir, der in Erfüllung geht. Es pusht mich so krass, dass ich bei Olympia laufen werden. Da möchte ich abliefern!

Hatten Sie in der Jugend einen Sprintstar als Vorbild?

Als wir noch etwas jünger waren, hat sich jeder einen Athleten ausgesucht. Ich war zum Beispiel immer Usain Bolt (lacht). Die anderen Justin Gatlin oder Asafa Powell. Wir haben dann unsere eigenen Rennen ausgetragen. Usain Bolt war auf jeden Fall mein absolutes Vorbild.


INTERVIEW:

NICO-MARIUS SCHMITZ

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