„Sie hat mir die Leichtigkeit gegeben, die mir gefehlt hat“: Zeidler mit Freundin Sofia Meakin. © IMAGO
Der Moment der Erlösung: Nach dem Halbfinal-Aus von Tokio hat es Zeidler in Paris allen bewiesen. © IMAGO
Hüne auf dem Olymp: Oliver Zeidler zeigte eine dominante Vorstellung, die Konkurrenz hatte keine Chance. © IMAGO/Müller
Der Riese weinte. Diese verdammte Olympia-Medaille endlich um den Hals, die Nationalhymne, der Blick zur Familie und Freundin. Da brach es aus Oliver Zeidler heraus. All das Leid, all der Fleiß, auch manche Verzweiflung der letzten Jahren hatten sich ausgezahlt. Mit einem dominanten Rennen ruderte Zeidler zu Gold in Paris, angekommen auf dem Olymp.
„Das ist das, was ich mir über die letzten drei Jahre mit viel Schweiß und Tränen erarbeiten musste“, sagte Zeidler. Und wollte dann einfach die Menschen umarmen, die immer bei ihm waren. Nach den Spielen von Tokio, als er im Halbfinale scheiterte, ein Trauma, das ihn beinahe „gebrochen“ hätte. Er arbeitete es mit seiner Sportpsychologin auf. Nach den European Championships in München, als ihm auf seiner Heimstrecke die Nerven versagten und er die Medaille verpasste. Zeidler kam stärker zurück und konnte sich immer auf sein Umfeld verlassen.
Nach dem Gold-Coup am Samstag ließ er sich in die Arme von Heino Zeidler fallen und sagte: Danke, Papa. „Mein Vater hat mich vom ersten Zug meiner Ruder-Karriere an begleitet, ich bin ihm sehr dankbar, wie meiner Mutter und meiner ganzen Familie.“ Für Heino fühlte sich der Erfolg seines Sohnes „surreal“ an: „Vor nicht mal acht Jahren haben wir mit dem Rudern angefangen, eher als Ausgleich zum Schwimmen. Oli wurde besser und besser. Und das heute war die Vollendung.“
Während des Rennens sah Zeidler auf dem kleinen Bordcomputer, dass er eigentlich zwei Sekunden zu langsam war. Und trotzdem kam keiner der Konkurrenten näher. Da wusste der 28-Jährige: Heute ist mein Tag! Gold gehört nur mir. Wie ein Uhrwerk ruderte er das Rennen zu Ende, der Blick wie in Trance. „Die Olli-Rufe haben mich heute getragen. Das im Ziel dann noch mal in Ruhe zu hören, ohne über den nächsten Schlag nachdenken zu müssen, das war schon besonders emotional.“
Besonders emotional war auch die Umarmung mit Freundin Sofia Meakin. Sie trug eine Sonnenbrille, vor lauter Aufregung hatte sie so viel weinen müssen. Ihr galten die ersten Momente nach der Erlösung. „Sofia macht mich einfach glücklich und hat mir die Leichtigkeit zurückgegeben, die mir vielleicht früher gefehlt hat.“ Über Monate konnten sich der Mann aus Schwaig bei Erding und die Schweizer Ersatzruderin kaum sehen. Ein blaues Armband, ein Geschenk von Meakin, erinnerte ihn immer daran, dass sie an seiner Seite steht. Seine neue Leichtigkeit merkte man auch im Deutschen Haus. So ruhig und kontrolliert er auf dem Wasser fuhr, so sehr spritzte der Sekt. Der Hüne hüpfte zu „Allez Olli“-Sprechchören.
Olympia-Gold gewinnen, das ist ja Familientradition. Zeidler hatte als Vorbild seinen Großvater Hans-Johann Färber (1972 im sogenannten „Bullenvierer“) und Tante Judith Zeidler (1988 im DDR-Achter).
So ganz genau wusste Zeidler gar nicht, ob nun das Halbfinale oder das Finale das Rennen seines Lebens war. „Es waren auf jeden Fall zwei super Rennen und ich bin stolz, dass ich den Zuschauern eine gute Show geboten habe.“ Zeidler wusste aber sicher, dass noch nicht Schluss sein soll.
Der Ausnahmesportler, der die Arbeit des Deutschen Ruderverbands immer wieder kritisierte, nimmt noch mal Anlauf. Er hat sich selbst das optimale Umfeld geschaffen, das ihn auch bis zu den Spielen in Los Angeles 2028 tragen soll. „Noch einmal Olympia-Gold wäre eine Sache, sich endgültig in die Geschichtsbücher einzutragen.“
NICO-MARIUS SCHMITZ