Dunkle Wolken über Giesing

von Redaktion

Nach dem Fehlstart steht bei den Löwen nicht nur das System in der Kritik

Nachdenklicher Trainer: Argirios Giannikis sah nur eine gute Startphase. © IMAGO

Ungemütliche Zeiten schon im August? Bei 1860 ist die Anfangseuphorie bereits nach einem Spiel verflogen. © IMAGO

München – Gefühlvoll segelte die Flanke von Calogero Rizzuto in die Mitte, Leroy Kwadwo war mitgelaufen, kam aber zu spät. Ebenso wie Jesper Verlaat, der zwar fünf Meter vor dem Tor hochsprang, aber machtlos war gegen die Wucht und den Willen der Saarbrücker Spezialwaffe. Patrick Schmidt, erstmals nach langer Verletzungspause eingewechselt, hielt den Kopf hin und schickte die Kugel an René Vollath vorbei ins Netz (71.). 1:0 für den Dauerrivalen aus Saarbrücken. Argirios Giannikis reagierte mit vier Einwechslungen. Zeit für eine Antwort wäre gewesen, doch mehr als einen abgefälschten Schuss von Fabian Schubert brachten die Löwen nicht mehr aufs FCS-Tor. Der Sieg für die Gäste ging in Ordnung – auch wenn die blauen Fehlstarter das anders sahen. „Wir sind total unzufrieden mit diesem Ergebnis“, sagte Giannikis.

„Aggressiv, siegesorientiert und dominant“ soll sein Team in der neuen Saison auftreten. Sportchef Christian Werner hatte im Interview mit unserer Zeitung noch einmal jenen „Löwen-Fußball mit Wiedererkennungswert“ skizziert, der dem Vorjahres-15. der 3. Liga eine bessere Zukunft bringen soll. Tatsächlich war es dann am Freitag aber das aus dem Vorjahr bekannte Produkt, das der Giesinger Kundschaft schnell den Euphorie-Stecker zog. Wiedererkannt haben die 15 000 auf den Rängen vor allem die Hilflosigkeit im Offensivspiel, die schon in der Vorbereitung für einen torlosen Auftritt nach dem anderen gesorgt hatte.

In den ersten zehn Minuten waren die guten Vorsätze der Giesinger noch am besten zu spüren. Maximilian Wolfram kam in dieser Phase zu einer ersten Torannäherung. Schnell war aber zu sehen, dass sich Saarbrücken auf den Matchplan der Löwen einstellte, das Zentrum zustellte und die neue Doppelsechs – Thore Jacobsen und Tim Kloss – wirkungsvoll am Spielaufbau hinderte. Auch die Achter Julian Guttau und David Philipp schienen mit dem ambitionierten Leipzig-System (4-2-2-2) zu fremdeln. Die Folge war, dass beide Stürmer in der Luft hingen. Ein durchdachtes Angriffsspiel war in der Folge nicht mehr zu sehen. Nur Lukas Reich schaffte es noch einmal, per Einzelaktion Gefahr heraufzubeschwören (37.). Mit etwas Glück und einem anderen Schiedsrichter hätte Saarbrücken schon da führen können – David Philipp hatte Kasim Rabihic (29.) so umgerempelt, dass nicht nur FCS-Coach Rüdiger Ziehl Elfmeter forderte. Das 0:0 zur Pause war leistungsgerecht, wohlwollend für 1860 betrachtet. Alles was nach der Pause kam, sollte den Löwen allerdings zu denken geben. Bis zur Schubert-Chance in der Nachspielzeit kam wenig bis nichts Richtung FCS-Tor. „Ich denke, aufgrund der zweiten Halbzeit haben wir verdient gewonnen“, sagte Ziehl.

Und schon ziehen über Giesing dunkle Wolken auf. Im Umfeld wird eine Rückkehr zum alten Löwen-Fußball gefordert. Ein einfaches „Kick and rush“, das keinen überfordert. Giannikis jedoch erweckt nicht den Eindruck, schon nach einem Misserfolg von seiner ambitionierten Spielidee abrücken zu wollen. Er hat sein Team besser gesehen als viele andere („Phasenweise auf Augenhöhe“) und erklärt, dass man weiter sei als beim letzten Duell mit Saarbrücken im April (1:1): „Wenn man die beiden Spiele vergleicht, dann sind wir von der Spielanlage deutlich weiter. Wir haben einen starken Gegner, der ein Aufstiegskandidat ist, vor mehr Probleme gestellt als damals.“ Seine unbeirrte Ansage: „Hart und konsequent arbeiten – damit wir auch Spiele auf dem Niveau für uns ziehen können.“

Erst mal geht es jedoch in einem anderen Wettbewerb weiter. Vor dem Drittliga-Auswärtsspiel bei Aufsteiger VfB Stuttgart II (Sonntag, 16.30 Uhr) steht am Dienstagabend das Totopokal-Erstrundenspiel beim Kreisklasseclub SSV Kasendorf auf dem Programm (18.30 Uhr). Womöglich der richtige Gegner, um mal wieder ein Tor zu schießen. Das letzte ist lange her. Zur Erinnerung: Leroy Kwadwo schoss es – am 14. Juli zum 4:0-Endstand im Vorbereitungsspiel beim Bayernligisten Schalding-Heining.
ULI KELLNER

Artikel 1 von 11