Das Happy End folgt noch

von Redaktion

Dausers Wut weicht langsam dem Stolz – und der Junior wird bald in den Turnverein gesteckt

Momente, die bleiben: Dauser in Paris. © IMAGO

München – Irgendwann, wenn Fernsehen für ihn schon erlaubt ist, wird der kleine Dauser-Bub gemeinsam mit seinem Vater diese 40 Sekunden von Paris ansehen dürfen. Er wird sehen, wie der Papa hochkonzentriert auf das olympische Podium tritt; er wird sehen, wie er bei diesem verflixten Element namens Tsolakidis mit dem linken Bein auf den Barrenholm schlägt; er wird sehen, wie er sich abmeldet und er wird auch sehen, wie groß die Enttäuschung an diesem Augusttag des Jahres 2024 war. Vor allem aber wird er sehen, was auch dem Papa bleiben wird, wenn sich der Frust über diesen unrühmlichen Abgang gelegt hat: pure Leidenschaft für das Turnen, unbändiger Willen, großer Kampfgeist. So viel mehr wert als eine Platzierung in einem – wenn auch nicht ganz unwichtigen – Wettbewerb.

Noch, zeitlich und räumlich so nah am misslungenen „Happy End“, fällt es Lukas Dauser freilich schwer, diese Sicht auf die Dinge zuzulassen. Aber immerhin hat dem 31-Jährigen nach dem 7. Platz im Gerätefinale an seinem Paradegerät Barren die Vorfreude auf den Geburtstermin seines ersten Sohnes am 20. September geholfen, schneller nach vorne zu blicken als nach früheren Rückschlägen. Die Entscheidung, die Reckriemen nach der Bundesliga-Saison und dem Swiss Cup am 9. November nach mehr als 25 Jahren an den Nagel zu hängen, ist schon in den letzten harten Wochen in ihm gereift. Ausgesprochen wurde sie am Montag nicht in der „Bercy Arena“ von Paris, so kurz nach der Enttäuschung war er „mental noch nicht bereit, diesen Satz zu sagen“. Am Abend des Olympia-Abgangs aber sprach er ihn dann doch aus: Ab Herbst will Dauser vor allem Papa sein.

„Es warten neue Aufgaben auf mich, auf die ich mich unheimlich freue“, sagte der Unterhachinger. Wie sehr, hatte in Paris allein der Blick in seine Trainingstasche offenbart. Kaum geöffnet, strahlte seine schwangere Ehefrau Viktoria ihm auf einem Foto mit Babybauch entgegen, unterschrieben war der Glücksbringer mit den Worten „Wir lieben Dich“. Wer Dauser kennt, weiß, wie sehr ihm solche Kleinigkeiten helfen, wie wichtig ihm ein gutes Gefühl ist und schon immer gewesen ist. Dauser muss sich wohlfühlen und voll da sein, um Höchstleistung zu bringen. In Paris wären die Rahmenbedingungen gut gewesen, der Fanclub mit Herzensmenschen war da, das Gerät fühlte sich gut an. Aber es fehlte gerade mal sechs Wochen nach dem Muskelbündelriss im Bizeps schlichtweg die Routine. Eine Handvoll durchgeturnter Übungen in der Vorbereitung reichten nicht, um international auf jenem Niveau zu turnen, auf dem er im Vorjahr in Antwerpen Weltmeister geworden war. 13,7 Punkte bekam Dauser, 16,2 Olympiasieger Zou Jingyuan aus China.

Man sah Dauser den Zwiespalt zwischen Ärger und Stolz regelrecht an. Denn auch er weiß genau, dass allein seine Teilnahme ein Erfolg war. Als „einmalig“ bezeichnete Mentor und Freund Fabian Hambüchen Dausers Kampf gegen den Schmerz, sein Heimtrainer Hubert Brylok nannte die vergangenen Wochen seit dem bitteren Moment bei der Olympia-Qualifikation in Rüsselsheim den „blanken Wahnsinn“. Auch das darf er ruhig mal dem Filius erzählen.

Apropos: Wie die Kindheit von Dauser junior ablaufen wird, ist schon klar. „Ich werde ihn auf jeden Fall in den Turnverein stecken“, sagt der Bald-Papa. Er selbst startete als Kindergartenkind in Haching – und weiß aus zweieinhalb Jahrzehnten: „Turnen ist die beste Sportart, um Kinder motorisch auszubilden und die Grundlagen zu lernen für andere Sportarten.“ Wer weiß? Vielleicht gibt es von den Olympischen Spielen 2044 ein neues Dauser-Video.
HANNA RAIF

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