Jetzt steht er in den Geschichtsbüchern: Christian Kukuk veredelte die Bilanz der deutschen Reiterei mit dem vierten Gold. © Stefan Matzke / sampics
Christian Kukuk ging in die Knie und schlug völlig überwältigt beide Hände vor das Gesicht, dann rappelte er sich auf und fiel seiner Schwester in die Arme: Gold, Olympiasieger, eine unfassbare Sensation. „Es ist überhaupt noch nicht bei mir angekommen“, sagte Kukuk, der zum Abschluss das vierte Gold der deutschen Reiter in Paris gewann: „Goldmedaillengewinner zu sein, in die Geschichtsbücher einzugehen – das dauert noch ein bisschen, bis ich das realisiert habe.“
Ganz allein verfolgte Kukuk auf dem Abreiteplatz den letzten, den entscheidenden Ritt von London-Olympiasieger Steve Guerdat, als der Schweizer wie zuvor andere Konkurrenten riss, war es um Kukuks Fassung geschehen. „Da bin einmal in mich zusammengesackt und habe gemerkt: Krass, jetzt ist hier gerade etwas ganz Spektakuläres passiert. Es sind ein paar Tränen geflossen, ich war sehr angefasst“, gestand der sonst so coole Reiter. Ein Olympiasieg sei „nur wenigen Menschen gegönnt, und ich bin jetzt einer davon“, sagte der strahlende Held im roten Rock. Er sei aber eigentlich nach wie vor „nur der Christian Kukuk, der ich sonst auch immer bin“.
In der Heimat freute sich Fußball-Weltmeister Thomas Müller, er ist zusammen mit Madeleine Winter-Schulze Besitzer des Goldpferdes Checker. Sein Pferd, einst entdeckt von Bundestrainer Otto Becker und mit vier Jahren an Kukuks Arbeitgeber Ludger Beerbaum weitergegeben, lobte der neue Olympiasieger in den allerhöchsten Tönen. Checker sei „in einer eigenen Liga unterwegs, und Ludger hat den allerallergrößten Anteil an diesem Gold.“
Der viermalige Olympiasieger Beerbaum, Freund und Förderer von dem Mann, der jetzt in seine Fußstapfen tritt, war nach dem Sprung zu Gold ebenfalls fassungslos. „Ich könnte nicht stolzer sein“, sagte Beerbaum, er musste das alles „erst mal sacken lassen“. Dass er so einen olympischen Moment noch einmal erleben darf, hätte der 60-Jährige selber nicht gedacht. „Abnormal“, lautete der erste Kommentar von Kukuks Teamkollegen Philipp Weishaupt, der nach einem Abwurf mit Zineday auf Platz zwölf landete: „Christian hat Abnormales geleistet, das ist so verdient.“
Auch Otto Becker atmete tief durch: „Wir haben hier viele gute Runden, aber auch viel Pech erlebt. Dass wir jetzt so nach Hause fahren können, ist einfach mega.“ Er sei „super, super happy“, sagte der Bundestrainer, „Christians Gold ist für alle eine Riesen-Erleichterung.“ Ob es nach 15 Jahren für ihn das Finale als Bundestrainer war, ließ Becker zunächst offen: „Es gibt noch keinen Plan, wie es mit mir weitergeht.“
Es war in vielerlei Hinsicht eine sehr spezielle Medaille: Die insgesamt 100. deutsche bei olympischen Reiterspielen, im Einzel die erste seit Marco Kutschers Bronze 2004 in Athen und die erste goldene seit dem Olympiasieg von Ulrich Kirchhoff und Jus de Pommes 1996 in Atlanta. In Paris holte die deutsche Reiterei insgesamt viermal Gold und einmal Silber, eine beeindruckende Bilanz.
Nach den Goldcoups von Vielseitigkeitsreiter Michael Jung, der deutschen Dressur-Mannschaft, Jessica von Bredow-Werndl im Einzel und dem Silber von Deutschlands Rekord-Olympionikin Isabell Werth kehrt die deutsche Reiterei mit vier Goldmedaillen und einmal Silber nach Hause zurück. „Nicht so schlecht“, fand Kukuk das: „Es war auch wichtig, dass wir Springreiter ebenfalls bei der Vergabe von Edelmetall dabei waren.“ Dafür hat er selbst eindrucksvoll gesorgt.
SID