Lippen versiegelt? Selten bei Katrin Müller-Hohenstein.
Ist das ZDF des „Zentrum des Fiesen“? Steht die Abkürzung KMH für „Katrin moderiert herzlos“? Jedenfalls hat es mächtig gerumst, nachdem das Zweite beim 3×3-Basketball 24,8 Sekunden vor Schluss eissekalt zu den heute-Nachrichten umgeschaltet hat. Und auch sonst gibt es jede Menge Kritik am Salami-Olympia von ARD und ZDF, in dem viel geredet, viel zusammengefasst und zu wenig Livesport gesendet wird. Aber wie bastelt sich zum Beispiel das ZDF eigentlich so einen Olympiatag zusammen, sechzehneinhalb Stunden von 7.30 Uhr bis Mitternacht? Wir haben als TV-Buchhalter einen Tag lang zugeschaut, mitgestoppt und mitgerechnet. Hier kommen die Fakten zum Schnipsel-Sport.
Reden: „Bonjour à Paris“ – sobald sich Jochen Breyer wie ein echter Originalfranzose meldet, ist das Olympia-Parlament eröffnet. Bis Mitternacht reden sich JB und KMH 82:40 Minuten lang die Stimmbänder fusselig. „Zurück an diesem traumhaften Sommertag mit der traumhaften Katrin Müller-Hohenstein“ flötet Breyer, der olle Charmeur. Und Katrin schäkert mit den Kommentatoren beim Radfahren: „Ihr seht entzückend aus, wenn ich das mal so sagen darf.“ Das darfst Du, Katrin, und zwar ausführlich. 57:19 Minuten redet die mitteilungsfreudige Mittelfränkin bis Mitternacht, eine knappe Stunde Olympia besteht nur aus KMH. Dagegen hat Jochen Breyer mit nur 25:21 Minuten beinahe ein Schweigegelübde abgelegt.
Gedöns: Trailer, Nachrichten, Werbung – das ist die Garnierung. Da wird im Olympiaprogramm Werbung fürs Olympiaprogramm gemacht („Hingucker garantiert“), da hilft Restaxil gegen Nervenschmerzen (aber nicht gegen eine nervige Sendeplanung). Es wird ausgiebig gedönst, nämlich 92:56 Minuten lang. Das ist ein ganzes Fußballspiel Olympia, ohne dass Olympia läuft. Wie wär’s mit einem Öffi-Sportsender während der Spiele, auf dem wirklich nur gedönsfreier Sport kommt? Für alle, die nicht in der Mediathek mit den Streams jonglieren wollen?
Zusammenfassungen: Zusammenfassend lässt sich zusammenfassen, dass ARD und ZDF mit großer Hingabe zusammenfassen, was sich in den letzten Stunden ereignet hat. Bei Jochen Breyer heißt das „einmal tief durchpusten“. Zusammen mit Sportler-Interviews wird 44:51 Minuten lang zusammengefasst, resümiert und bilanziert. Dazu kommen 38:05 Minuten Dokus, Erklärungen und Hintergründe. Schon wieder 1:23 Stunden kein Livesport.
Aufzeichnungen: Nur aufgezeichnet ist ausgezeichnet – das könnte das Motto beim ZDF sein. Exakt 6 Stunden und 41 Sekunden läuft Konserven-Olympia mit allem, was längst vorbei ist. Vor allem die Leichtathletik ist keine Liveathletik. Klar kann man sich alles selbst im Livestream anklicken, entspanntes Olympia-Schauen ist das aber nicht. Und natürlich ist so eine Programmplanung ein riesiges Puzzlespiel. Aber weniger reden, mehr Flexibilität, mehr schnelles Hin- und Herschalten könnten helfen, siehe Eurosport.
Live: Hurra! „Live is Life“ gibt’s auch beim ZDF, und zwar 6:47 Stunden lang. Damit hat Livesport immer noch den größten Sendeanteil. Aber die Tendenz geht zum Reden und zum Zusammenfassen. Nur noch 39,6 Prozent eines ZDF-Olympiatages sind live. Bei unserer ARD-Untersuchung in Rio 2016 waren es noch 46 Prozent. Kurz vor Mitternacht, nach fast einer Stunde KMH-Redemarathon, klingt auch die Katrin erschöpft. Aber einmal zusammenfassen geht noch.