ZUM TAGE

Wir verneigen uns vor Sportler und Mensch

von Redaktion

Abschied von Timo Boll

Die Legende winkte fast schon verlegen ins Publikum. Großes Aufsehen um seine Person brauchte Timo Boll nie. Aber an diesem Abend von Paris, nach seinem olympischen Schlussakt, nach seinem letzten internationalen Auftritt richteten sich zu Recht alle Augen auf einen den Größten des deutschen Sports. Die Zuschauer erhoben sich, Dirk Nowitzki applaudierte, der schwedische König Carl XVI. Gustaf apllaudierte, es hallten „Timo, Timo, Timo“-Sprechchöre durch die Messehalle 4 der Expo Porte de Versailles. Das war nicht nur eine Verneigung vor diesem Moment, es war die Verneigung vor einer einzigartigen Karriere, vor einem Lebenswerk.

Sieben Olympische Spiele, in Sydney 2000 saß Boll selbst noch staunend in der Mensa und freut sich über die ganzen Legenden, die er zu Gesicht bekam. In Paris staunten die Sportler nun über Legende Boll. In den letzten Jahren habe er immer häufiger das Strahlen in den Augen seiner Gegner gesehen, die vom Alter her auch seine Kinder hätten sein können. Boll hat die Tischtennis-Welt über Jahrzehnte geprägt, über Jahrzehnte die deutsche Flagge hochgehalten und glänzen lassen. 2018 war er noch mal die Nummer eins der Welt, vier olympische Medaillen mit dem Team gewonnen, acht insgesamt bei Weltmeisterschaften. Eine ganze Generation hat sich vorgestellt, beim Rundlauf in der Schulpause Timo Boll zu sein.

In den letzten Jahren zwickte der Körper immer mehr, es war ein ständiger Kampf gegen die Schmerzen. Er trainierte „brutal hart“, opferte alles in seine letzte Teilnahme bei den Olympischen Spielen rein. Es ist ein Abgang ohne Medaille, ein Abgang mit einem vorzeitigen Ausscheiden. Aber weiteres Edelmetall braucht es auch nicht zur Krönung Bolls. Der Wert, den der 43-Jährige für das deutsche Tischtennis hat, ist unmessbar. Es entsteht eine klaffende Lücke.

Boll selbst wischte nach den Sprechchören nicht nur den Schweiß, sondern auch die Tränen weg. Es habe ihn übermannt, er verspürte eine Leere. Über zwei Jahrzehnte Leistungssport muss man erst mal sacken lassen. Ganz vorbei ist es ja noch nicht, eine Saison mit Düsseldorf steht noch auf dem Programm. Aber es gibt jetzt mehr Zeit für Frau Rodelia und Tochter Zoey Malaya, Reisen mit dem Wohnmobil, Tennis spielen mit Kumpel Nowitzki.

Boll war nicht nur der sehr gute Sportler, sondern „auch ein sehr guter Mensch, der immer sehr viel gibt“, sagte Dimitrij Ovtcharov. Ein Sportler und Mensch zum Verneigen eben.

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