Blitzschnelles Quartett: Lisa Mayer, Rebekka Haase,, Gina Lückenkemperund Alexandra Burghardt. © IMAGO
Strahlende Olympiasiegerin: Yemisi Ogunleye nach ihrer Sensation mit der Kugel. © IMAGO
Ein Schrei durch ganz Paris: Ogunleye konnte ihr Glück kaum fassen. © IMAGO
Yemisi Ogunleye schluchzte, sie weinte vor Glück, immer wieder hielt sie die Hand ungläubig vor das Gesicht. Dann, als sie langsam realisierte, was sie da auf der ganz großen Olympia-Bühne geschafft hatte, hüpfte Ogunleye wie ein Flummi über die lila Bahn im Stade de France und schnappte sich eine Deutschland-Fahne zum Jubeln. Gold im Kugelstoßen, die Mannheimerin machte die Sensation nervenstark im sechsten Versuch perfekt. Auch dank Gottes Hilfe.
Ogunleye wuchtete die 4-Kilo-Kugel im letzten Durchgang auf genau 20,00 m und konterte damit Maddison-Lee Wesche aus Neuseeland noch aus. Die 25-Jährige krönte sich zur ersten und wohl einzigen deutschen Leichtathletik-Olympiasiegerin an der Seine, und das gleich bei ihrem Olympia-Debüt. 28 Jahre nach Astrid Kumbernuss holte damit wieder eine Kugelstoßerin Olympia-Gold für Deutschland, es war zudem die vierte Medaille für die deutschen Leichtathleten in Paris. Aus den Stadionlautsprechern tönte „Völlig losgelöst“, die deutschen Fans tanzten auf der Tribüne zu „Major Tom“ von Peter Schilling.
Ogunleye krönte mit ihrem unerwarteten Triumph ihre bemerkenswerte Karriere, mehr als einmal stand sie schon vor dem Aufgeben. Doch nun belohnte sich die Hallen-Vizeweltmeisterin für ihren Durchhaltewillen mit Gold.
Als kleines Mädchen tanzte Ogunleye Ballett, sie turnte auch – wurde dafür aber bald zu groß. Als sie 13 Jahre alt war, begann sie mit der Leichtathletik. Schwere Knieverletzungen warfen „Yemi“ aber immer wieder zurück. Nach zwei Kreuzbandrissen innerhalb kürzester Zeit, Meniskus- und Knorpelschäden im rechten Knie stand die Sport-Karriere schon auf der Kippe, bevor sie begonnen hatte.
Doch Ogunleye, deren Vater aus Nigeria stammt, kämpfte sich zurück. Auch unschöne Rassismus-Erfahrungen hielten sie nicht auf, ihr tiefer Glaube half Ogunleye durch die schwere Zeit. „Gottes Liebe hat mich verändert“, sagte sie einmal dem SWR: „Er ist eine wichtige Stütze in meinem Leben. Egal, was passiert, Gott hat mein Leben in der Hand. Das nimmt mir komplett den Druck. Ich empfinde eine unbändige Freude, meinen Sport ausüben zu dürfen.“ Und nun konnte Ogunleye sogar über Olympia-Gold jubeln.
Ihr Wettbewerb lief parallel zur Sprint-Sensation der deutschen Frauen. Denn dank eines famosen Laufs hatte die Staffel überraschend die Bronzemedaille über 4×100 m gewonnen. Das Quartett mit Alexandra Burghardt, Mayer, Lückenkemper und Rebekka Haase lief 41,97 Sekunden und holte bei der Teamentscheidung über eine Stadionrunde die erste deutsche Medaille seit der Wiedervereinigung. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) durfte nach zweimal Silber von Leo Neugebauer und Malaika Mihambo über die dritte und vierte Medaille in Frankreich jubeln.
„Sind um unser Leben gerannt“
„Wir sind alle um unser Leben gerannt. Wir haben unser Herz auf der Bahn gelassen“, sagte Gina Lückenkemper strahlend. Und Lisa Mayer schwärmte bei Eurosport: „Wir haben gesagt, wir riskieren alles, wir geben alles, es ist unglaublich.“
Das deutsche Quartett hatte schon im Vorlauf, wo anstelle von Burghardt die am Freitag angeschlagene Sophia Junk am Start gewesen war, eine deutlich schnellere Zeit (42,15) als beim EM-Triumph 2022 in München (42,34) erzielt. Vor dem Finale gegen die großen Sprintnationen kündigte Mayer an, „volles Risiko“ gehen zu wollen, um „mit um die Medaillen zu kämpfen“ – dieser Plan ging voll auf.
Zwar war der erste Wechsel von Burghardt auf Mayer etwas wacklig. Doch dann holte Deutschland auf. Lückenkemper, die in der letzten Kurve ein ganz starkes Rennen zeigte, übergab schließlich gar als erste. Dann brachte Haase die Medaille sicher ins Ziel: „Ich bin einfach nur noch gerannt. “Zuletzt hatte die DDR 1988 mit Silber eine deutsche Medaille über die 4×100 m gewonnen.
Für die frühere Europameisterin Lückenkemper endeten die Sommerspiele in Frankreich damit mehr als versöhnlich, nachdem sie über die 100 m ihren Traum vom Finale nicht hatte erfüllen können. Diesmal flossen die Tränen vor Freude.
SID