Olympische Generationen: Mit Judoka Anna-Maria Wagner.
Deutsches IOC-Trio: Michael Mronz, Thomas Bach, Britta Heidemann. © IMAGO
Begeistert nicht nur von der Kulisse: Britta Heidemann hat die Spiele in Paris genossen.
Als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees und des Präsidiums des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB) hat Britta Heidemann (41) die Paris-Spiele hautnah miterlebt. Die Fecht-Olympiasiegerin von Peking 2008 spricht mit unserer Zeitung über besondere Momente.
Britta Heidemann, wie haben Sie die Spiele in Paris wahrgenommen?
Es waren die ersten Spiele unter der neuen Agenda: nachhaltigere Spiele, inklusivere Spiele, Spiele für alle. Die Stadien waren immer voll. Ich war am Samstag gegen 12 Uhr beim Taekwondo, und da waren Tausende Menschen in der Halle. Egal ob vormittags, mittags oder abends, die Ränge waren immer bis zum letzten Platz besetzt. Dazu die ikonischen Sehenswürdigkeiten, das ist absolut einmalig und strahlt ein ganz besonderes Flair aus. Von der Atmosphäre her war Paris wirklich ganz weit vorne.
Welchen besonderen Moment gab es für Sie hier in Paris?
Ich habe verfolgt, wie südkoreanische und nordkoreanische Athleten gemeinsam auf dem Podium standen und ein Selfie miteinander gemacht haben, das war ein ganz besonderer Moment. Für mich persönlich waren es aber auch einfach die Erfahrungen im Olympischen Dorf, der Austausch mit Athleten aus der ganzen Welt. Bei Olympia geht man aufeinander zu, da gibt es keine Hemmungen, sich anzusprechen.
Wie haben Sie die Stimmung beim deutschen Team wahrgenommen?
Nach Freitag ist die Stimmung umso besser geworden. Ich habe die 4×100-Meter-Staffel der Frauen im Stadion gesehen, später im Deutschen Haus sind wir uns alle in die Arme gefallen. Gina Lückenkemper kenne ich schon sehr lange. Auch Sportgymnastin Darja Varfolomeev kenne ich schon länger, eine ausgezeichnete Athletin. Die Stimmung im Deutschen Haus war gigantisch, ich glaube der Tag war hintenraus noch mal ein Befreiungsschlag für das deutsche Team.
Deutschland will sich nun mit Entschlossenheit für die Olympischen Spiele bewerben, Innen- und Sportministerin Nancy Faeser oder auch Bundeskanzler Olaf Scholz haben sich vor Ort ein Bild gemacht. Welchen Effekt hätten Olympische Spiele, wenn sie endlich mal wieder in Deutschland stattfinden würden?
Das war unsere Hoffnung, dass Spiele im Nachbarland die Begeisterung auch nach Deutschland transportieren. Ich habe Olaf Scholz schon vor einer Woche durch das Olympische Dorf führen können. Am Freitag war Herr Scholz mit seiner Frau bei mehreren Wettkämpfen und im Deutschen Haus, er schien begeistert davon, was er erlebt hat. Olympische Spiele bewegen etwas im Land. Gerade wir in Deutschland können den Katalysator einer Olympia-Bewerbung, um eine positivere Grundstimmung zu bekommen, gut gebrauchen. Wieder mehr Motivation, mehr Antrieb, wieder mehr „Ja, wir können das“. Ich glaube, die Spiele könnten viel frischen Wind in das Land bringen.
In den vergangenen Jahren hatte man das Gefühl, dass Politik und Sport in Deutschland nicht genug an einem Strang ziehen, um einer Olympiabewerbung Schubkraft zu verleihen. Das scheint jetzt durch ein klares Bekenntnis der Bundesregierung besser zu werden.
Auf der einen Seite gilt es, die Autonomie des Sports zu akzeptieren. Für erfolgreichen Sport im Land braucht es aber auch die Unterstützung und den Rückenwind der Politik. Für erfolgreichen Leistungssport in der Spitze bis hin zu Olympiamedaillen aber auch für den Sport in der Breite. Die Bedeutung von Sport für eine Gesellschaft und der integrative Wert von Sport muss wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Ich wechsle von der Position eines IOC-Mitglieds in den Vorstand der Olympic Refugee Foundation. Von den 37 Teilnehmern des Refugee Olympic Teams kommen zehn aus Deutschland, die sind teilweise noch gar nicht lange da und sprechen alle perfekt Deutsch. Der Sport hat eine besondere, verbindende Kraft.
INTERVIEW: NICO-MARIUS SCHMITZ